Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
haben?«
»Das kam drauf an.«
»Das kam drauf an?«
|269| »Manchmal, daß sie selbst nicht sicher sei. Manchmal, daß es ein Vertreter gewesen ist, den sie nie wieder gesehen hat. Manchmal etwas anderes.«
»Und damit haben Sie sich zufriedengegeben?«
»Was soll man denn da machen? Wenn sie nicht will, dann will sie eben nicht.«
Kurt Wallander dachte über die Antworten nach, die er bekam. Konnte man wirklich so desinteressiert daran sein, wer sein eigener Vater war?
»Haben Sie einen guten Kontakt zu Ihrer Mutter?« fragte er.
»Was meinen Sie damit?«
»Sehen Sie sich oft?«
»Sie ruft manchmal an. Manchmal fahre ich nach Kristianstad rüber. Ich hatte besseren Kontakt zu meinem Stiefvater.«
Kurt Wallander stutzte. Von einem Stiefvater hatte Göran Boman nichts gesagt.
»Ist Ihre Mutter wieder verheiratet?«
»Als ich aufgewachsen bin, hat sie mit einem Mann zusammengelebt. Sie sind nie verheiratet gewesen. Aber ich habe ihn trotzdem Vater genannt. Als ich ungefähr fünfzehn war, haben sie sich getrennt. Im Jahr danach bin ich nach Malmö gegangen.«
»Wie heißt er?«
»Hieß. Er ist tot. Er hatte einen Autounfall.«
»Sind Sie sicher, daß er nicht Ihr richtiger Vater war?«
»Nach einem so ungleichen Paar wie ihm und mir muß man lange suchen.«
Kurt Wallander startete einen neuen Versuch.
»Der Mann, der in Lenarp ermordet wurde, hieß Johannes Lövgren«, sagte er. »Er war nicht möglicherweise Ihr Vater?«
Der Mann, der ihm gegenüber saß, sah ihn erstaunt an.
»Wie zum Teufel soll ich das wissen? Da werden Sie wohl meine Mutter fragen müssen.«
»Das haben wir schon getan. Aber sie verneint es.«
|270| »Dann fragen Sie sie noch mal. Ich würde gerne wissen, wer mein Vater ist. Ermordet oder nicht.«
Kurt Wallander glaubte ihm. Er notierte sich Erik Magnussons Adresse und Personennummer und stand auf.
»Sie werden vielleicht wieder von uns hören«, sagte er.
Der Mann kletterte wieder in die Fahrerkabine des Gabelstaplers.
»Von mir aus gern. Grüßen Sie meine Mutter, wenn Sie sie treffen.«
Kurt Wallander fuhr nach Ystad zurück. Er parkte am Marktplatz, ging in die Fußgängerzone hinunter und kaufte Kompressen in der Apotheke. Die Apothekerin sah voller Mitleid auf sein zerschundenes Gesicht. Auf dem Weg zum Auto überlegte er es sich anders und ging denselben Weg zurück zum staatlichen Alkoholgeschäft. Dort kaufte er eine Flasche Whisky. Obwohl er es sich eigentlich nicht leisten konnte, nahm er Maltwhisky.
Um halb fünf war er wieder im Polizeipräsidium. Weder Rydberg noch Martinsson waren in ihrem Zimmer. Er ging zum Flur der Staatsanwaltschaft. Die Telefonistin in der Zentrale lächelte.
»Sie hat sich sehr über die Blumen gefreut«, sagte sie.
»Ist sie in ihrem Zimmer?«
»Sie ist bis fünf Uhr im Amtsgericht.«
Kurt Wallander ging zurück. Im Flur stieß er mit Svedberg zusammen.
»Wie läuft es mit Bergman?« fragte Kurt Wallander.
»Er sagt immer noch nichts«, antwortete Svedberg. »Aber er wird bald weich. Die Kriminaltechniker glauben, daß es sich bei der sichergestellten Waffe um die Mordwaffe handelt.«
»Wissen wir inzwischen mehr über die Hintergründe?«
»Es sieht so aus, als ob sowohl Bergman als auch Ström in unterschiedlichen ausländerfeindlichen Gruppen aktiv gewesen sind. Aber ob sie auf eigene Faust gehandelt haben oder im Auftrag irgendeiner Organisation, wissen wir noch nicht.«
|271| »Mit anderen Worten sind also alle glücklich und zufrieden?«
»Das kann man wohl kaum behaupten. Björk spricht davon, daß die Verhaftung der Mörder zwar heiß ersehnt war, daß es aber nicht so gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat. Ich fürchte, daß man Bergmans Bedeutung herunterspielen und alles Valfrid Ström anlasten wird. Der sich nicht mehr wehren kann. Ich persönlich glaube, daß Bergman bei der ganzen Sache mindestens genauso aktiv war.«
»Ich frage mich, ob es Ström war, der mich nachts angerufen hat«, meinte Kurt Wallander. »Ich habe ihn nie so viel sprechen hören, daß ich mit Sicherheit sagen könnte, ob er es war oder nicht.«
Svedberg sah ihn forschend an.
»Was bedeutet, …?«
»… daß es im schlimmsten Fall noch andere gibt, die bereit sind, nach Bergman und Ström, die Rolle des Mörders zu übernehmen.«
»Ich werde Björk sagen, daß die Bewachung der Unterkünfte fortgesetzt werden muß«, antwortete Svedberg. »Übrigens haben wir einige Tips gekriegt, die darauf hindeuten, daß eine
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