Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
Bild.
»Was meinst du, wird er mit einer Haushaltshilfe zurechtkommen?« fragte Kurt Wallander.
»Das müssen wir erst einmal abwarten«, antwortete seine Schwester.
Es war fast zwei Uhr nachmittags, als Kurt Wallander vor dem Hauptgebäude der Stadtverwaltung in Malmö ankam. Vorher hatte er in dem Motel in Svedala noch schnell zu Mittag gegessen. Er parkte das Auto und betrat die große Empfangshalle.
»Ich suche Erik Magnusson«, sagte er zu der Frau, die das Glasfenster zur Seite geschoben hatte.
»Wir haben mindestens drei Erik Magnussons, die hier in der Verwaltung arbeiten«, erwiderte sie. »Welchen von ihnen suchen Sie?«
Kurt Wallander zog seinen Dienstausweis heraus und zeigte ihn vor.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber er soll Ende der fünfziger Jahre geboren sein.«
Die Frau hinter der Glasscheibe wußte sofort Bescheid.
»Dann muß es Erik Magnusson aus dem Zentrallager sein«, antwortete sie. »Die beiden anderen, die Erik Magnusson heißen, sind bedeutend älter. Was hat er denn angestellt?«
Kurt Wallander lächelte über ihre ungehemmte Neugier.
»Nichts«, gab er zurück. »Ich will ihm nur ein paar Routinefragen stellen.«
Sie beschrieb ihm den Weg zum Zentrallager. Er bedankte sich und ging zurück zum Auto.
Das Zentrallager der Stadtverwaltung lag am nördlichen Stadtrand von Malmö, in einem Gebiet in der Nähe des Ölhafens. |267| Kurt Wallander irrte lange herum, bis er es gefunden hatte.
Er ging durch eine Tür, auf der »Büro« stand. Durch ein großes Glasfenster sah er gelbe Gabelstapler, die zwischen unendlich langen Reihen von Regalen hin und her fuhren.
Das Büro war leer. Er ging eine Treppe hinunter und kam in die erste Lagerhalle. Ein junger Mann mit schulterlangem Haar war gerade dabei, große Plastiksäcke mit Toilettenpapier zu stapeln. Kurt Wallander ging zu ihm hin.
»Ich suche Erik Magnusson«, sagte er.
Der junge Mann zeigte auf einen gelben Gabelstapler, der an einer Laderampe stand, an der ein Lastwagen gerade entladen wurde.
Der Mann, der in der Fahrerkabine des Gabelstaplers saß, hatte helles Haar.
Kurt Wallander dachte, daß Maria Lövgren wohl kaum an Ausländer gedacht haben konnte, falls es dieser blonde Mann gewesen war, der ihr die Schlinge um den Hals gelegt hatte.
Dann schob er den Gedanken irritiert zur Seite. Jetzt ging er mal wieder zu schnell voran.
»Erik Magnusson!« rief er durch den Motorenlärm des Gabelstaplers.
Der Mann sah ihn fragend an, bevor er den Motor abstellte und heruntersprang.
»Erik Magnusson?« fragte Kurt Wallander.
»Ja?«
»Ich bin von der Polizei. Ich möchte gerne kurz mit Ihnen reden.«
Kurt Wallander beobachtete sein Gesicht.
An seinen Reaktionen war nichts Ungewöhnliches. Er sah einfach nur erstaunt aus. Ganz einfach erstaunt.
»Warum?« fragte er.
Kurt Wallander sah sich um.
»Gibt es einen Platz, wo wir uns hinsetzen können?« wollte er wissen.
|268| Erik Magnusson führte ihn zu einer Ecke, in der ein Kaffeeautomat stand. Dort gab es außerdem noch einen dreckigen Holztisch und ein paar baufällige Bänke. Kurt Wallander warf zwei Kronenstücke ein und zog einen Becher mit Kaffee. Erik Magnusson begnügte sich mit einer Prise Kautabak.
»Ich komme von der Polizei in Ystad«, fing er an. »Ich habe ein paar Fragen an Sie, die einen brutalen Mord in einem Dorf namens Lenarp betreffen. Vielleicht haben Sie etwas darüber in der Zeitung gelesen?«
»Ich glaube schon. Aber was hat das mit mir zu tun?«
Kurt Wallander war gerade dabei, sich dasselbe zu fragen. Den Mann, der Erik Magnusson hieß, schien ein Besuch der Polizei an seinem Arbeitsplatz völlig unberührt zu lassen.
»Ich muß Sie nach dem Namen Ihres Vaters fragen.«
Der Mann runzelte die Stirn.
»Mein Vater?« fragte er. »Ich habe keinen Vater.«
»Jeder hat einen Vater.«
»Jedenfalls keinen, von dem ich weiß.«
»Wie kommt das?«
»Meine Mutter war nicht verheiratet, als ich geboren wurde.«
»Und Ihre Mutter hat Ihnen nie erzählt, wer Ihr Vater ist?«
»Nein.«
»Haben Sie denn nie gefragt?«
»Natürlich habe ich gefragt. Ich habe während meiner ganzen Kindheit und Jugend auf sie eingeredet. Dann habe ich es aufgegeben.«
Erik Magnusson stand auf und zog sich einen Becher Kaffee.
»Warum fragen Sie nach meinem Vater?« wollte er wissen. »Hat er etwas mit diesem Mord zu tun?«
»Dazu kommen wir gleich«, antwortete Kurt Wallander. »Was hat Ihre Mutter geantwortet, als Sie sie nach Ihrem Vater gefragt
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