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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gemietete Wagen paßte nicht so recht ins Bild. Vielleicht hatte der ja auch gar nichts mit der ganzen Sache zu tun?
    Er sah auf die Uhr. Zwanzig vor acht. Donnerstag, der 11.   Januar.
    Statt den direkten Weg zum Haus seines Vaters zu nehmen, fuhr er noch ein paar Kilometer weiter und bog dann auf den kleinen Schotterweg ein, der sich durch die wogenden Stranddünen dahinzog, bis hinauf nach Backåkra. Er ließ das Auto auf dem leeren Parkplatz stehen und ging auf eine Düne hinauf, von der aus er sehen konnte, wie sich das Meer vor ihm ausbreitete.
    Es gab dort einen aus Steinen gelegten Ring. Einen Steinring der Nachdenklichkeit, der vor ein paar Jahren errichtet worden war. Er lud zum Alleinsein und zu innerer Ruhe ein.
    Er setzte sich auf einen der Steine und schaute auf das Meer hinaus.
    Philosophisch veranlagt war er noch nie gewesen. Er hatte niemals das Bedürfnis verspürt, in sich selbst zu versinken. Das Leben hatte sich ihm als ein ständiges Wechselspiel aus den unterschiedlichsten praktischen Fragen dargestellt, die auf ihre Lösung warteten. Was es jenseits davon gab, war etwas Unausweichliches, das sich nicht davon berühren lassen würde, daß er über einen Sinn nachgrübelte, den es am Ende dann wohl doch nicht gab.
    Aber ein paar Minuten des Alleinseins waren eine ganz andere Sache. Sie bedeuteten die große Ruhe, die darin verborgen lag, überhaupt nicht denken zu müssen. Nur zu lauschen, zu sehen, unbeweglich zu sein.
    |150| Ein Boot war irgendwohin unterwegs. Ein großer Seevogel segelte lautlos im Aufwind. Alles war sehr still.
    Nach zehn Minuten stand er auf und ging zum Auto zurück.
    Sein Vater malte im Stehen, als er durch die Ateliertür eintrat. Diesmal würde es ein Bild
mit
Auerhahn werden.
    Der Vater sah ihn schlechtgelaunt an.
    Kurt Wallander konnte erkennen, daß er schmutzig war. Außerdem roch er.
    »Weshalb bist du gekommen?« fragte er.
    »Aber das haben wir doch gestern ausgemacht, oder?«
    »Acht Uhr, sagtest du.«
    »Ach du lieber Gott! Ich bin elf Minuten zu spät.«
    »Wie schaffst du es eigentlich, Polizist zu sein, wenn du noch nicht einmal pünktlich sein kannst?«
    Kurt Wallander antwortete nicht. Statt dessen dachte er an seine Schwester Kristina. Heute mußte er sich die Zeit nehmen, sie anzurufen. Sie fragen, ob sie über den zunehmenden Verfall ihres Vaters Bescheid wußte. Er hatte sich immer vorgestellt, daß Senilität ein langsamer Prozeß sein würde. Jetzt mußte er einsehen, daß dies in Wirklichkeit nicht der Fall war.
    Der Vater suchte mit dem Pinsel nach Farbe auf der Palette. Seine Hände waren immer noch ruhig. Dann setzte er ohne Zögern noch einen schwachen Rotton in das Federkleid des Auerhahns.
    Kurt Wallander hatte sich auf den alten Schlitten gesetzt und betrachtete ihn.
    Der Gestank, der ihm vom Körper seines Vaters entgegenschlug, war beißend. Kurt Wallander erinnerte sich an einen übelriechenden Mann, der auf einer Bank in der Pariser Metro gelegen hatte, als er und Mona dort auf Hochzeitsreise gewesen waren.
    Ich muß ihm das sagen, dachte er. Auch wenn mein Vater dabei ist, in seine Kindheit zurückzukehren, muß ich mit ihm wie mit einem erwachsenen Menschen reden.
    Sein Vater malte konzentriert weiter.
    |151| Wie oft hat er nun schon dieses Motiv gemalt? überlegte Kurt Wallander.
    Eine schnelle und unvollständige Überschlagsrechnung brachte ihn auf die Zahl von 7.000.
    7.000   Sonnenuntergänge.
    Er goß sich Kaffee aus der Kanne ein, die dampfend auf dem Spirituskocher stand.
    »Wie geht es dir?« fragte er.
    »Wenn man so alt ist wie ich, dann geht es einem, wie es einem eben geht«, antwortete sein Vater abweisend.
    »Du hast wohl nicht daran gedacht, umzuziehen?«
    »Wohin sollte ich denn ziehen? Und warum sollte ich überhaupt umziehen?«
    Die Gegenfragen kamen wie Peitschenhiebe.
    »In ein Altersheim.«
    Der Vater richtete plötzlich den Pinsel auf ihn – wie eine Waffe.
    »Willst du etwa, daß ich sterbe?«
    »Natürlich nicht! Ich überlege mir nur, was das Beste für dich sein mag.«
    »Wie stellst du dir denn vor, daß ich überleben soll in einem Haufen von alten Hexen und Tattergreisen? Außerdem darf man bestimmt nicht auf seinem Zimmer malen.«
    »Heutzutage kann man eine eigene Wohnung bekommen.«
    »Ich habe ein eigenes Haus. Ich weiß nicht, ob du das schon mitbekommen hast. Oder bist du zu krank dafür?«
    »Ich bin nur etwas erkältet.«
    Erst in diesem Moment wurde ihm bewußt, daß die Erkältung niemals

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