Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
sein können.
Das Haus war das letzte in einer Reihe. Neben dem Haus stand eine riesige Parabolantenne auf einer Zementplatte. Der Garten war gepflegt. Sie saßen einige Minuten im Auto und betrachteten das aus roten Ziegeln erbaute Haus. Ein weißer Nissan parkte vor dem Garagentor.
»Der Mann ist sicher nicht zu Hause«, meinte Göran Boman. »Er hat sein Büro in Simrishamn. Er soll sich darauf spezialisiert haben, Grundstücke an wohlhabende Deutsche zu verkaufen.«
|179| »Ist das erlaubt?« fragte Kurt Wallander erstaunt.
Göran Boman zog die Schultern hoch.
»Strohmänner«, erwiderte er. »Die Deutschen bezahlen gut, und der Kaufvertrag wird in schwedische Hände gespielt. Es gibt Menschen in Schonen, die vom nicht rechtmäßigen Erwerb von Grundstücken leben.«
Plötzlich bemerkten sie eine Bewegung hinter der Gardine. Sie war so flüchtig, daß sie nur von den trainierten Augen eines Polizisten wahrgenommen werden konnte.
»Es ist jemand im Hause«, sagte Kurt Wallander. »Sollen wir reingehen?«
Die Frau, die ihnen öffnete, wirkte äußerst anziehend. Obwohl sie nur einen weiten Jogginganzug trug, hatte sie eine sehr starke Ausstrahlung. Kurt Wallander fuhr durch den Kopf, daß sie ein für eine Schwedin sehr untypisches Aussehen hatte.
Er dachte auch daran, daß die Art und Weise, wie sie sich vorstellten, genauso wichtig sein konnte wie alle Fragen zusammen.
Wie würde sie reagieren, wenn sie sich als Polizeibeamte vorstellten?
Die einzige Reaktion, die er feststellen konnte, war, daß sie ein wenig die Augenbrauen hob. Dann lächelte sie und zeigte eine Reihe gleichmäßiger, weißer Zähne. Kurt Wallander fragte sich, ob Göran Boman wirklich recht gehabt hatte. War sie wirklich schon 58 Jahre alt? Wenn er das nicht gewußt hätte, würde er sie auf 45 schätzen.
»Welch unerwarteter Besuch«, sagte sie. »Kommen Sie herein.«
Sie betraten ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer. An den Wänden befanden sich gut gefüllte Bücherregale, und in einer Ecke stand einer der exklusiven Fernseher von Bang & Olufsen. In einem Aquarium schwammen getigerte Fische. Kurt Wallander konnte sich dieses Wohnzimmer nur schwer in Verbindung mit Johannes Lövgren vorstellen. Es gab nichts, was einen Zusammenhang vermuten ließ.
|180| »Darf ich den Herren etwas anbieten?« fragte die Frau.
Sie lehnten dankend ab und setzten sich.
»Wir sind gekommen, um einige Routinefragen zu stellen«, begann Kurt Wallander. »Ich heiße Kurt Wallander, und das hier ist Göran Boman von der Polizei in Kristianstad.«
»Wie spannend, die Polizei im Haus zu haben«, meinte die Frau, immer noch lächelnd. »Hier in Gladsax geschieht sonst nie etwas Unerwartetes.«
»Wir möchten bloß wissen, ob Sie einen Mann namens Johannes Lövgren kennen«, fuhr Kurt Wallander fort.
Sie sah ihn verdutzt an.
»Johannes Lövgren? Nein. Wer soll das sein?«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher!«
»Vor einigen Tagen wurde er in einem Dorf, das Lenarp heißt, zusammen mit seiner Frau ermordet. Sie haben davon vielleicht in der Zeitung gelesen?«
Ihre Verwunderung wirkte alles andere als gespielt.
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagte sie. »Ich erinnere mich, daß ich darüber etwas in der Zeitung gesehen habe. Aber was hat das mit mir zu tun?«
Nein, dachte Kurt Wallander und sah Göran Boman an, der dasselbe zu denken schien. Was hat diese Frau mit Johannes Lövgren zu tun?
»1951 haben Sie in Kristianstad einen Sohn zur Welt gebracht«, sagte Göran Boman. »Bei allen Behörden haben Sie den Vater als unbekannt angegeben. Es ist nicht zufällig so, daß ein Mann namens Johannes Lövgren dieser unbekannte Vater ist?«
Sie sah die beiden Männer lange an, bevor sie antwortete.
»Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie das fragen«, antwortete sie. »Und ich verstehe noch weniger, was das mit dem ermordeten Bauern zu tun haben soll. Aber wenn es Ihnen hilft, kann ich Ihnen sagen, daß Stefans Vater Rune Stierna hieß. Er war damals mit einer anderen verheiratet. Ich wußte, |181| worauf ich mich einließ, und entschied, mich für das Kind zu bedanken, indem ich seine Identität geheimhielt. Er ist vor zwölf Jahren gestorben. Und Stefan hat die ganze Zeit einen guten Kontakt zu seinem Vater gehabt.«
»Ich verstehe, daß unsere Fragen Ihnen seltsam erscheinen müssen«, entschuldigte sich Kurt Wallander. »Aber manchmal muß das eben sein.«
Sie stellten noch ein paar weitere Fragen und
Weitere Kostenlose Bücher