Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
an einem Frotteehandtuch ab.
»Jetzt habe ich ein paar Minuten Zeit«, meinte sie. »Worum geht’s?«
»Wir möchten gerne wissen, ob Sie einen Mann namens Johannes Lövgren kennen?« begann Kurt Wallander.
|184| »Wir können uns ruhig duzen«, erwiderte sie und setzte sich. »Wollt ihr Kaffee?«
Beide lehnten ab. Kurt Wallander hatte es irritiert, daß sie ihm den Rücken zugewandt hatte, als er seine Frage stellte.
»Johannes Lövgren«, wiederholte er. »Ein Landwirt aus einem kleinen Dorf außerhalb von Ystad. Hast du ihn gekannt?«
»Der Ermordete?« fragte sie und sah ihm direkt in die Augen.
»Ja«, bestätigte er. »Der Ermordete. Genau den meine ich.«
»Nein«, antwortete sie und goß Kaffee in einen Plastikbecher. »Warum sollte ich ihn gekannt haben?«
Die Polizisten wechselten einen schnellen Blick. Irgend etwas in ihrer Stimme verriet, daß sie sich unter Druck gesetzt fühlte.
»Im Dezember 1958 bekamst du einen Sohn, der Nils getauft wurde«, fuhr Kurt Wallander fort. »Du hast den Vater als unbekannt angegeben.«
In dem Augenblick, in dem er den Namen ihres Sohnes aussprach, fing sie an zu weinen.
Der Kaffeebecher fiel um, und der Inhalt ergoß sich über den Boden.
»Was hat er getan?« fragte sie. »Was hat er denn nun schon wieder angestellt?«
Sie warteten, bis sie sich beruhigt hatte, bevor sie weitere Fragen stellten.
»Wir sind nicht gekommen, um dir mitzuteilen, daß etwas passiert ist«, sagte Kurt Wallander. »Aber wir möchten gerne wissen, ob Nils’ Vater möglicherweise Johannes Lövgren ist.«
»Nein.«
Ihre Antwort klang nicht gerade überzeugend.
»Dann würden wir gerne wissen, wie er heißt?«
»Warum wollt ihr das wissen?«
»Es ist für die Ermittlungen von Bedeutung.«
»Ich habe doch schon gesagt, daß ich niemanden kenne, der Lövgren heißt.«
|185| »Wie heißt der Vater von Nils?«
»Das sage ich nicht.«
»Die Antwort bleibt unter uns.«
Sie ließ sich für die Antwort etwas zu lange Zeit.
»Ich weiß nicht, wer der Vater von Nils ist.«
»Normalerweise weiß eine Frau so etwas.«
»Damals war ich mit mehreren Männern zusammen. Darum habe ich ja auch den Vater als unbekannt angegeben.«
Sie erhob sich schnell von ihrem Stuhl.
»Ich muß weiterarbeiten«, sagte sie. »Sonst zerkochen die Frauen unter ihren Trockenhauben.«
»Wir haben Zeit.«
»Aber ich habe nichts mehr zu sagen!«
Sie klang zunehmend aufgebracht.
»Wir haben aber noch weitere Fragen.«
Zehn Minuten später war sie wieder zurück. Sie hatte ein paar Scheine in der Hand, die sie in ihre Handtasche steckte, die über einem Stuhl hing. Jetzt wirkte sie gesammelt und streitlustig.
»Ich kenne niemanden, der Lövgren heißt«, sagte sie noch einmal.
»Und du bleibst dabei, daß du nicht weißt, wer der Vater deines 1958 geborenen Sohnes ist?«
»Ja.«
»Bist du dir darüber im klaren, daß du diese Fragen eventuell unter Eid beantworten mußt?«
»Ich lüge nicht.«
»Wo kann man deinen Sohn Nils antreffen?«
»Er reist viel.«
»Nach unseren Informationen hat er seinen ersten Wohnsitz in Sölvesborg.«
»Dann fahrt doch hin!«
»Das werden wir auch.«
»Ich habe nichts mehr zu sagen.«
Kurt Wallander zögerte einen Augenblick. Dann zeigte |186| er auf das unscharfe und vergilbte Photo, das an der Wand hing.
»Ist das Nils Vater?« fragte er.
Sie hatte sich gerade eine Zigarette angezündet. Als sie den Rauch ausblies, klang es wie ein Fauchen.
»Ich kenne keinen Lövgren. Ich verstehe nicht, wovon ihr sprecht.«
»Na schön«, meinte Göran Boman und brach das Gespräch ab. »Dann gehen wir. Aber wir werden uns wieder melden.«
»Ich habe nichts mehr zu sagen. Warum kann man mich nicht in Ruhe lassen?«
»Niemand wird in Ruhe gelassen, wenn die Polizei nach einem Doppelmörder sucht«, gab Göran Boman zurück. »So ist das eben.«
Als sie auf die Straße hinaustraten, schien die Sonne. Sie blieben am Auto stehen.
»Was glaubst du?« fragte Göran Boman.
»Ich weiß nicht so recht. Aber irgend etwas stimmt da nicht.«
»Sollen wir versuchen, den Sohn zu finden, bevor wir mit der Dritten weitermachen?«
»Ich glaube, das ist das beste.«
Sie fuhren nach Sölvesborg und hatten große Mühe, die richtige Adresse zu finden. Ein zerfallenes Holzhaus außerhalb des Stadtzentrums, von Schrottautos und Maschinenteilen umgeben. Ein scharfer Schäferhund, der an seiner Eisenkette zerrte. Das Haus sah verlassen aus. Göran Boman beugte sich vor und betrachtete
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