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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sagte er. »Dieser Mann hat in seinem ganzen Leben noch keinem Menschen etwas zuleide getan. Außerdem bezweifle ich, ob er sich jemals über die Existenz Lettlands Gedanken gemacht hat. Er ist Besitzer einer Tankstelle.«
    »Baiba Liepa hat einen Notruf geschickt«, sagte Lippman. »Sie bittet Sie zu kommen. Sie braucht Ihre Hilfe.«
    Er zog einen Briefumschlag aus der Innentasche hervor.
    »Von Baiba Liepa«, sagte er. »Für Sie.«
    Wallander nahm den Briefumschlag entgegen. Er war nicht zugeklebt, und er zog vorsichtig das dünne Briefpapier heraus. Ihre Mitteilung war kurz, mit Bleistift geschrieben. Er hatte den Eindruck, daß sie in Eile gewesen war.
    Es existiert ein Testament, und es gibt einen Wächter,
schrieb sie.
Aber ich fürchte, daß ich nicht allein die richtige Stelle finden kann. Vertraue den Überbringern dieser Nachricht, wie du einmal meinem Mann vertraut hast. Baiba.
    »Wir können Ihnen bei allem helfen, was Sie brauchen, um nach Riga zu kommen«, erklärte Lippman, als Wallander den Brief zur Seite gelegt hatte.
    »Sie können mich wohl kaum unsichtbar machen!«
    »Unsichtbar?«
    »Wenn ich nach Riga fahre, muß ich ein anderer sein als der, der ich eigentlich bin. Wie regeln Sie das? Wie können Sie meine Sicherheit garantieren?«
    »Sie müssen uns vertrauen, Herr Wallander. Aber wir haben nicht viel Zeit.«
    Wallander merkte, daß auch Joseph Lippman besorgt war. Er versuchte sich einzureden, daß nichts, was um ihn herum geschah, wirklich war, aber er wußte, daß dies nicht stimmte. Im Grunde wußte er, daß die Welt so aussah. Baiba Liepa hatte einen von tausend Notrufen gesandt, die ständig die Kontinente |257| durchkreuzten. Dieser war für ihn bestimmt, und er mußte antworten.
    »Ich habe mir ab Donnerstag freigenommen«, sagte er. »Offiziell fahre ich zum Skilaufen in die Alpen. Ich kann eine gute Woche wegbleiben.«
    Lippman schob die Teetasse zur Seite. Der schlaffe, wehmütige Zug in seinem Gesicht war einer plötzlichen Entschlossenheit gewichen.
    »Das ist eine ausgezeichnete Idee«, antwortete er. »Natürlich fährt ein schwedischer Polizist jeden Winter in die Alpen, um auf den Pisten sein Glück zu versuchen. Welchen Weg nehmen Sie?«
    »Über Saßnitz. Mit dem Auto durch die ehemalige DDR.«
    »Wie heißt Ihr Hotel?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich bin vorher noch nie in den Alpen gewesen.«
    »Aber Sie können Ski laufen?«
    »Ja.«
    Lippman saß in Gedanken versunken da. Wallander winkte die Bedienung heran und bestellte eine Tasse Kaffee. Lippman schüttelte abwesend den Kopf, als Wallander ihn fragte, ob er noch einen Tee wolle.
    Lippman nahm schließlich die Brille ab und putzte sie sorgfältig mit seinem Jackenärmel.
    »Es ist eine ausgezeichnete Idee, in die Alpen zu fahren«, wiederholte er. »Aber ich brauche ein wenig Zeit, um alles Notwendige zu organisieren. Morgen abend wird Sie jemand anrufen und Ihnen mitteilen, welche Morgenfähre Sie am besten von Trelleborg aus nehmen. Vergessen Sie um Gottes Willen nicht, Ihre Skier auf dem Autodach zu verstauen. Packen Sie, als wären Sie wirklich auf dem Weg in die Alpen.«
    »Wie soll ich eigentlich nach Lettland hineinkommen?«
    »Auf der Fähre werden Sie alles erfahren, was Sie wissen müssen. Jemand wird Verbindung mit Ihnen aufnehmen. Sie müssen uns vertrauen.«
    |258| »Ich kann nicht garantieren, daß ich jeden Ihrer Vorschläge akzeptieren werde.«
    »In unserer Welt existieren keine Garantien, Herr Wallander. Ich kann nur versprechen, daß wir versuchen werden, uns selbst zu übertreffen. Vielleicht sollten wir jetzt lieber zahlen und gehen?«
    Sie trennten sich vor der Pizzeria. Der Wind war wieder stärker und böig geworden. Joseph Lippman nahm schnell Abschied und verschwand in Richtung Bahnhof. Wallander ging durch die verlassene Stadt nach Hause. Er dachte an das, was Baiba Liepa geschrieben hatte.
    Die Hunde sind schon dicht hinter ihr. Sie hat Angst und wird gejagt. Auch die Obersten haben begriffen, daß der Major ein Testament hinterlassen haben muß.
    Plötzlich wurde ihm klar, daß die Zeit drängte.
    Angst und Kopfzerbrechen durften ihn nicht aufhalten.
    Er mußte ihren Notruf beantworten.
     
    Am nächsten Tag machte er sich reisefertig.
    Abends um kurz nach sieben rief eine Frau an und teilte ihm mit, daß man für ihn auf der Fähre, die Trelleborg am nächsten Morgen um halb sechs verlassen würde, einen Platz gebucht hatte. Zu Wallanders Überraschung stellte sie sich als Mitarbeiterin

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