Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Auto in einer halbverfallenen Scheune geparkt. Der Mann, der sie dort in Empfang genommen hatte, sprach zumindest Englisch. Auch er war ein vertriebener Lette, und er hatte Wallander garantiert, daß sein Auto bis zu seiner Rückkehr wohlbewahrt sein würde. Dann hatten sie auf die Nacht gewartet. In der Dunkelheit war er dann neben Preuss durch einen dichten Tannenwald gestolpert, bis sie die Grenze erreicht und die erste unsichtbare Linie auf dem Weg nach Riga überschritten hatten. In einer unbedeutenden, langweiligen Kleinstadt, an deren Namen Wallander sich schon nicht mehr erinnern konnte, hatte sie ein verschnupfter Mann namens Janik mit einem verrosteten Lastwagen erwartet, und eine Fahrt quer durch die polnische Ebene hatte begonnen. Wallander hatte sich bei dem ständig schniefenden Fahrer angesteckt und sehnte sich nach einer ordentlichen Mahlzeit und einem Bad, aber nirgendwo wurde ihm etwas anderes als |262| kalte Koteletts und unbequeme Matratzenlager in kalten Häusern auf dem Land angeboten. Sie kamen ungeheuer langsam voran. Meist fuhren sie während der Nachtstunden oder kurz vor der Morgendämmerung. Die restliche Zeit verging mit stummem und nicht enden wollendem Warten. Er versuchte die Vorsicht, die Preuss an den Tag legte, zu verstehen. Was konnte ihnen denn schon passieren, so lange sie sich noch auf polnischem Boden befanden? Aber er bekam keine Erklärungen. In der ersten Nacht konnte er die Lichter Warschaus in der Ferne erkennen, in der nächsten Nacht überfuhr Janik ein Reh. Wallander fragte sich, wie das lettische Hilfsnetz organisiert war, welche Funktionen es sonst hatte, wenn es nicht gerade einen verwirrten schwedischen Polizisten, der illegal lettisches Territorium betreten wollte, eskortierte. Aber Preuss verstand ihn nicht, und Janik sang die ganze Zeit einen englischen Schlager aus den Kriegsjahren, wenn er nicht gerade nieste und seine Bazillen auf Wallander übertrug. Als sie schließlich die litauische Grenze erreichten, konnte Wallander »We’ll meet again« nicht mehr hören und dachte, daß er sich gut mitten in Rußland befinden könnte. Oder in der Tschechoslowakei oder in Bulgarien? Er hatte völlig die Orientierung verloren, wußte kaum noch, in welcher Himmelsrichtung Schweden lag, und der Wahnsinn des ganzen Unterfangens trat mit jedem Kilometer, den der Lkw in Richtung auf das Unbekannte zurücklegte, immer deutlicher hervor. Litauen durchquerten sie mit verschiedenen Bussen, denen allen eine ordentliche Federung fehlte, und dann befanden sie sich endlich, vier Tage nachdem Preuss auf der Fähre Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, in unmittelbarer Nähe der lettischen Grenze, inmitten eines Waldes, in dem es stark nach Harz roch.
    »Warten«
, wiederholte Preuss, und Wallander setzte sich gehorsam auf einen Baumstumpf. Er fror, und es ging ihm nicht gut.
    Ich kehre verrotzt und krank nach Riga zurück, dachte er |263| verzweifelt. Von allen Dummheiten, die ich in meinem Leben begangen habe, ist das hier wohl die größte, und ich verdiene keinen Respekt dafür, sondern nur schallendes Hohngelächter. Hier, auf einem Baumstumpf im litauischen Wald, sitzt ein schwedischer Polizist mittleren Alters, der sein Urteilsvermögen und noch dazu den Verstand verloren hat.
    Aber jetzt führte kein Weg mehr zurück. Er wußte, daß er niemals alleine wieder zurückfinden würde. Er war völlig abhängig von diesem verdammten Preuss, den der verrückte Lippman ihm als Reiseleiter auf den Hals gehetzt hatte, und der Weg führte unwiderruflich weiter, fort von aller Vernunft, Richtung Riga.
    Auf der Fähre, zeitgleich mit dem symbolträchtigen Verschwinden der schwedischen Küste, hatte Preuss ihn angesprochen, als er in der Cafeteria saß und etwas trank. Sie waren an Deck gegangen, in den eisigen Wind hinaus. Preuss hatte einen Brief von Lippman dabei, und Wallander durfte sich eine weitere Identität zulegen. Jetzt sollte er nicht länger
Herr Eckers
sein, jetzt war er
Hegel, Gottfried Hegel
, deutscher Vertreter für Noten und Kunstbücher. Zu seinem maßlosen Erstaunen überreichte ihm Preuss, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, einen deutschen Reisepaß mit seinem abgestempelten Foto. Er erinnerte sich, daß Linda dieses Foto vor ein paar Jahren von ihm gemacht hatte. Wie Lippman es in die Finger bekommen hatte, war ihm ein unerträgliches Rätsel. Jedenfalls war er jetzt Herr Hegel, und es gelang ihm schließlich, aus Preuss’ beharrlichem Reden und Gestikulieren

Weitere Kostenlose Bücher