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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zu schließen, daß er ihm seinen schwedischen Paß bis auf weiteres aushändigen sollte. Wallander gab ihm den Paß und dachte, daß er verrückt sein mußte.
    Es waren jetzt vier Tage vergangen, seit er eine neue Identität angenommen hatte. Preuss kauerte auf einem entwurzelten Baumstamm, und Wallander konnte in der Dunkelheit undeutlich sein Gesicht erkennen. Preuss schien beharrlich in östliche Richtung Ausschau zu halten. Die Uhr zeigte wenige |264| Minuten nach Mitternacht, und Wallander dachte, daß er sich eine Lungenentzündung holen würde, wenn er noch lange auf dem gefrorenen Stamm sitzen blieb.
    Plötzlich hob Preuss die Hand und zeigte eifrig nach Osten. Sie hatten eine Petroleumlampe an einen Ast gehängt, damit Wallander nicht den Blickkontakt mit Preuss verlor. Er stand auf und spähte in die Richtung, in die Preuss zeigte. Nach einigen Sekunden entdeckte er ein schwaches, blinkendes Licht, als käme ihnen ein Fahrrad mit einem nur ab und zu funktionierenden Dynamo entgegen. Preuss sprang von seinem Baumstamm und löschte die Petroleumlampe.
    »
Gehen
«, keuchte er. »
Schnell jetzt. Gehen! «
    Zweige peitschten Wallander ins Gesicht. Jetzt überschreite ich die letzte Grenze, dachte er. Aber den Stacheldraht habe ich im Bauch.
    Sie kamen auf eine Schneise hinaus, die einer Straße gleich in den Wald geschlagen worden war. Preuss hielt Wallander einen Moment lang zurück, bis sie wieder in den Schutz des dichten Waldes eintauchen konnten. Nach etwa zehn Minuten kamen sie auf einen matschigen Waldweg, wo ein Auto auf sie wartete. Wallander sah den schwachen Schein einer Zigarette im Wageninneren. Jemand stieg aus und kam ihnen mit einer abgedunkelten Taschenlampe in der Hand entgegen. Dann erkannte er Inese.
    Noch viel später würde er sich an seine erleichterte Freude erinnern, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Im schwachen Licht der Taschenlampe lächelte sie ihm zu, und er wußte nicht, was er sagen sollte. Preuss reichte ihm zum Abschied seine magere Hand und wurde anschließend sofort wieder von den Schatten verschluckt, noch bevor Wallander dazu kam, sich bei ihm zu bedanken.
    »Bis Riga haben wir noch eine lange Fahrt vor uns«, sagte Inese. »Wir müssen uns auf den Weg machen.«
    Sie erreichten die Stadt im Morgengrauen. Ab und zu waren sie von der Straße abgefahren, damit Inese sich etwas |265| ausruhen konnte. Außerdem hatte eines der Hinterräder einen Platten gehabt. Wallander war es nur mit großer Mühe gelungen, den Reifen zu wechseln. Er hatte vorgeschlagen, auch einmal das Steuer zu übernehmen, aber sie hatte nur stumm den Kopf geschüttelt.
    Er merkte sofort, daß etwas geschehen sein mußte. Es war etwas Hartes und Verbissenes an Inese, das nicht nur darauf zurückzuführen sein konnte, daß sie übermüdet war und sich darauf konzentrierte, den Wagen auf den kurvenreichen Straßen zu halten. Er war sich nicht sicher, ob sie genug Kraft hatte, seine Fragen zu beantworten, also saß er schweigend neben ihr. Aber er hatte immerhin erfahren, daß Baiba Liepa ihn erwartete und Upitis nach wie vor in Haft war. Sein Geständnis war in den Zeitungen veröffentlicht worden. Aber das erklärte nicht, warum Inese solche Angst hatte.
    »Diesmal heiße ich Gottfried Hegel«, sagte er, nachdem sie zwei Stunden gefahren waren und angehalten hatten, um Benzin aus einem Reservekanister nachzufüllen, den er vom Rücksitz des Wagens hob.
    »Ich weiß«, erwiderte Inese. »Das ist kein besonders schöner Name.«
    »Sag mir, warum ich hier bin, Inese. Was kann ich für euch tun?«
    Er bekam keine Antwort. Statt dessen fragte sie ihn, ob er Hunger habe, und gab ihm eine Flasche Bier und zwei Wurstbrote, die sie in einer Papiertüte verwahrt hatte. Dann setzten sie die Fahrt fort. Er schlummerte kurz ein. Aber da er Angst hatte, sie könnte auch einschlafen, wachte er sofort mit einem Ruck wieder auf.
    Sie erreichten die Vororte Rigas kurz vor Anbruch der Dämmerung. Wallander fiel ein, daß es der einundzwanzigste März war, der Geburtstag seiner Schwester. Um seine neue Identität glaubhaft zu machen, beschloß er, Gottfried Hegel mit einer ganzen Schar von Geschwistern zu versehen, von denen die jüngste Schwester Kristina hieß. Er dachte sich |266| Hegels Frau als ein männlich wirkendes Frauenzimmer mit Schnurrbartansatz und stellte sich ihr gemeinsames Heim in Schwabingen als ein rotes Backsteinhaus mit einem nichtssagenden Garten auf der Rückseite vor. Die Legende, die ihm Joseph

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