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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Lippman zu dem von Preuss überbrachten Paß geliefert hatte, war äußerst sparsam gewesen. Ein erfahrener Vernehmungsleiter würde höchstens eine Minute benötigen, den Paß für gefälscht zu erklären und nach seiner wahren Identität zu fragen.
    »Wohin fahren wir?« wollte er wissen.
    »Wir sind bald da«, antwortete sie ausweichend.
    »Wie soll ich nur helfen, wenn ich nichts erfahre«, sagte er. »Was verschweigst du mir? Was ist geschehen?«
    »Ich bin müde«, antwortete sie. »Aber wir sind froh, daß du wieder hier bist. Baiba ist froh. Sie wird weinen, wenn sie dich wiedersieht.«
    »Warum beantwortest du meine Fragen nicht? Was ist denn nur passiert? Ich spüre doch, daß du Angst hast.«
    »Es ist in den letzten Wochen alles viel schwieriger geworden. Aber es ist besser, wenn Baiba es dir selbst erzählt. Viel weiß ich selbst nicht.«
    Sie fuhren durch einen schier endlos sich hinziehenden Vorort. Fabriksilhouetten ragten im gelben Straßenlicht wie reglose, prähistorische Tiere auf. Sie fuhren durch Nebelschwaden, die durch verlassene Straßen trieben, und Wallander dachte, daß er sich die osteuropäischen Staaten, die sich sozialistisch genannt und triumphierend zum alternativen Paradies erklärt hatten, schon immer so vorgestellt hatte.
    Vor einem langgestreckten Lagergebäude hielt Inese den Wagen an und schaltete den Motor aus.
    Sie zeigte auf eine niedrige Eisenpforte an der Kopfseite des Gebäudes.
    »Geh dorthin«, sagte sie. »Sobald du klopfst, läßt man dich herein. Ich muß jetzt fahren.«
    »Werden wir uns wiedersehen?«
    |267| »Ich weiß nicht. Das entscheidet Baiba.«
    »Du vergißt doch nicht, daß du meine Geliebte bist?«
    Sie lächelte kurz, als sie antwortete.
    »Ich war vielleicht die Geliebte von Herrn Eckers. Aber ich weiß nicht so recht, ob ich Herrn Hegel auch so gerne mag. Ich bin ein anständiges Mädchen und wechsle die Männer nicht wie die Hemden.«
    Wallander stieg aus dem Wagen, und sie fuhr sofort davon. Einen Moment lang erwägte er, sich nach einer Bushaltestelle umzusehen, und in die Stadt hineinzufahren. Dort würde er dann das Schwedische Konsulat oder die Botschaft aufsuchen, wo man ihm helfen würde, wieder nach Hause zu kommen. Wie ein schwedischer Beamter im diplomatischen Dienst auf die Geschichte, die ihm dann von einem schwedischen Polizisten aufgetischt würde, reagieren würde, wagte er sich gar nicht erst auszumalen. Er konnte nur hoffen, daß akute geistige Verwirrung zu den Problemen gehörte, für die ein Diplomat sofort eine Lösung zur Hand hatte.
    Aber er sah ein, daß es dafür bereits zu spät war. Jetzt mußte er weiter verfolgen, was er begonnen hatte, er ging also über den knirschenden Schotter und klopfte an die Eisenpforte.
    Die Tür wurde von einem bärtigen Mann geöffnet, den Wallander vorher noch nie getroffen hatte. Der Mann schielte und nickte ihm freundlich zu, warf dann einen Blick über Wallanders Schulter, um zu kontrollieren, ob er verfolgt wurde, zog ihn schnell hinein und schloß die Tür.
    Wallander entdeckte verblüfft, daß er sich in einem Spielzeuglager befand. Überall standen hohe Holzregale, die voller Puppen waren. Es schien ihm, als wäre er in eine Katakombe hinabgestiegen, in der die Puppengesichter ihm wie Totenschädel boshaft entgegengrinsten. Er dachte, daß alles nur ein verworrener Traum war, daß er sich in Wirklichkeit in seinem Schlafzimmer in der Mariagatan in Ystad befand. Er würde einfach ruhig weiteratmen und auf ein befreiendes Erwachen warten. Aber es gab kein Erwachen, und Wallander erkannte |268| nur den Fahrer wieder, der in jener Nacht, als er mit Upitis in der im Wald versteckten Jagdhütte geredet hatte, stumm und abgewandt im Halbdunkel gesessen hatte.
    »Herr Wallander«, sagte der Mann, der ihm die Tür geöffnet hatte. »Wir sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie gekommen sind, um uns zu helfen.«
    »Ich bin gekommen, weil Baiba Liepa mich darum gebeten hat«, sagte Wallander. »Einen anderen Grund habe ich nicht, und sie möchte ich auch treffen.«
    »Im Moment ist das leider nicht möglich«, antwortete die Frau, die tadelloses Englisch sprach. »Baiba wird Tag und Nacht überwacht. Aber wir glauben zu wissen, wie wir Sie zusammenführen können.«
    Der Mann kam mit einem wackeligen Holzstuhl in der Hand auf ihn zu, und Wallander setzte sich. Jemand reichte ihm eine Tasse Tee, und er nahm sie. Das Licht im Lagerraum war gedämpft, und Wallander fiel es schwer, die Gesichter der einzelnen

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