Wallander 02 - Hunde von Riga
Hauseingang, hörte das Quietschen, als die Pforte hinter ihnen ein zweites Mal geöffnet wurde. Das sind keine besonders geschickten Hunde, die da einer der Obersten in seiner Meute hat, dachte er ironisch. Oder aber sie wollen uns wissen lassen, daß sie nie die Witterung verlieren.
Baiba war in der kalten Morgenluft zu neuem Leben erwacht. An einer Straßenecke blieben sie stehen, und Wallander mußte sich jetzt etwas einfallen lassen.
»Kennst du jemanden, der uns ein Auto leihen kann?« fragte er.
Sie dachte kurz nach, bevor sie den Kopf schüttelte.
Die Angst machte ihn auf einmal wütend. Warum war in diesem Land nur alles so kompliziert? Wie sollte er ihr nur helfen können, wenn einfach nichts normal war, nichts so war, wie er es kannte?
Ihm fiel das Auto ein, daß er am vorherigen Tag gestohlen hatte. Die Chance war nicht sehr groß, aber er hatte nichts zu verlieren, wenn er nachschaute, ob es noch da stand, wo er es zurückgelassen hatte. Er schob Baiba in ein Café, an dem sie gerade vorbeikamen, und dachte, daß dies die Hundeschar, die ihnen auf den Fersen war, verwirren würde. Nun würden ihre Bewacher gezwungen sein, sich aufzuteilen, und sie mußten die ganze Zeit fürchten, daß er und Baiba die Unterlagen schon in Reichweite hatten. Dieser Gedanke machte Wallander neuen Mut. Er barg eine Möglichkeit, an die er vorher nicht gedacht hatte. Er konnte den Verfolgern Köder vorwerfen. Er eilte durch die Straßen. Als erstes mußte er herausfinden, ob der Wagen noch da war.
Er stand noch an derselben Stelle. Ohne zu zögern setzte er sich hinter das Steuer, bemerkte wieder den eigenartigen Fischgeruch, verband die elektrischen Kabel miteinander und hatte diesmal nicht vergessen, vorher in den Leerlauf zu schalten. Vor dem Café hielt er an und ließ den Motor laufen, während er hineinging und Baiba holte. Sie saß an einem Tisch |303| und trank Tee, und ihm knurrte der Magen, aber er hatte keine Zeit, etwas zu essen. Sie hatte schon bezahlt, und sie gingen zum Wagen.
»Wie bist du an das Auto gekommen?« fragte sie.
»Das erzähle ich dir ein andermal«, antwortete er. »Sag mir jetzt erst einmal, wie ich fahren muß, um aus Riga herauszukommen.«
»Wo fahren wir hin?«
»Ich weiß es noch nicht. Zuerst einmal aufs Land.«
Der morgendliche Berufsverkehr war dichter geworden, und Wallander stöhnte über den trägen Motor, mit dem er zu kämpfen hatte. Schließlich aber hatten sie die äußersten Vororte der Stadt erreicht und befanden sich bald in einer Ebene, in der Bauernhöfe verstreut zwischen Feldern lagen.
»Wohin führt diese Straße?« fragte Wallander.
»Nach Estland. Sie endet in Tallinn.«
»So weit fahren wir nicht.«
Die Tankanzeige stand auf Reserve, und an einer Tankstelle hielten sie an. Ein alter Mann, der auf einem Auge blind war, füllte den Tank auf. Als Wallander bezahlen wollte, reichte sein Geld nicht mehr. Baiba schoß zu, was noch fehlte, und sie fuhren weiter. Während der Fahrtunterbrechung hatte Wallander die Straße im Auge behalten. Zuerst war ein schwarzes Auto einer ihm unbekannten Marke vorbeigekommen, und gleich darauf noch eins. Als sie von der Tankstelle wieder auf die Straße bogen, hatte er im Rückspiegel noch einen weiteren Wagen bemerkt, der am Straßenrand hinter ihnen geparkt stand. Also drei, hatte er gedacht, mindestens drei Autos, vielleicht noch mehr.
Sie kamen in eine Stadt, deren Namen Wallander niemals erfuhr. Er parkte den Wagen auf einem Platz, dort stand eine Gruppe von Menschen um einen Stand, an dem Fisch verkauft wurde.
Er war sehr müde. Wenn er nicht bald etwas Schlaf bekam, würde sein Gehirn nicht mehr lange mitspielen. Auf der anderen |304| Seite des Marktplatzes sah er ein Hotelschild, und sein Entschluß stand fest.
»Ich muß schlafen«, sagte er zu Baiba. »Wieviel Geld hast du noch? Reicht es noch für ein Zimmer?«
Sie nickte. Sie verließen das Auto, gingen über den Marktplatz und schrieben sich in dem kleinen Hotel ein. Baiba erklärte etwas auf lettisch, die Portiersfrau errötete zunächst und verzichtete dann darauf, ihnen die Anmeldeformulare vorzulegen.
»Was hast du ihr gesagt?« fragte Wallander, als sie auf ihr Zimmer gekommen waren, das zu einem Hinterhof hinaus lag.
»Die Wahrheit«, antwortete sie. »Daß wir nicht verheiratet sind und nur ein paar Stunden bleiben werden.«
»Sie ist rot geworden! Ist sie nicht rot geworden?«
»Das wäre ich auch an ihrer Stelle.«
Für einen kurzen Moment war
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