Wallander 02 - Hunde von Riga
muß.«
Das Gespräch verebbte. Wallander hatte viele Fragen stellen wollen, auch über die Ereignisse des letzten Monats in Riga. Aber er traute sich nicht. Er wollte nicht zeigen, wie unwissend er war. Statt dessen erhob er sich und legte eine Schallplatte mit Maria Callas auf.
»› Turandot‹«, sagte der Major. »Das ist sehr schön.«
Schnee und Wind heulten am Fenster vorbei. Wallander stand da und schaute dem Major hinterher, der kurz nach Mitternacht ging. Er duckte sich im Wind, in einen unförmigen Mantel gehüllt.
Am nächsten Tag war das Unwetter vorüber. Man begann, Straßen und Wege freizuräumen. Als Wallander am Morgen aufwachte, hatte er einen Kater. Aber im Schlaf war in ihm ein Entschluß gereift. Während sie auf die Entscheidung des Generalstaatsanwaltes warteten, konnte er genausogut mit dem Major das Fischerboot in Brantevik aufsuchen, auf dem er letzte Woche gewesen war.
|106| Kurz nach neun saßen sie in seinem Wagen und fuhren Richtung Osten. Die Landschaft war verschneit und glitzerte im grellen Sonnenlicht. Es herrschten drei Grad minus, und es war windstill.
Der Hafen war menschenleer. Am äußeren Pier lagen mehrere Fischerboote vertäut. So ohne weiteres konnte Wallander nicht sagen, auf welchem er an Bord gewesen war. Sie gingen zum Anfang des Piers, und Wallander zählte dreiundsiebzig Schritte.
Das Boot hieß »Byron«. Es war aus Holz, weiß gestrichen und ungefähr vierzig Fuß lang. Wallander nahm die grobe Vertäuungsleine in die Hand und schloß die Augen. Erkannte er sie wieder? Er wußte es nicht genau. Sie kletterten an Bord. Über der Ladeluke war eine dunkelrote Persenning festgezurrt. Als sie auf das Ruderhaus zugingen, stolperte Wallander über ein zusammengerolltes Tau. Da wußte er, daß sie auf dem richtigen Kutter waren. Das Ruderhaus war mit einem großen Vorhängeschloß abgeschlossen. Der Major hob eine Ecke der Persenning an und leuchtete mit einer Taschenlampe in den Laderaum. Er war leer.
»Es riecht nicht nach Fisch«, sagte Wallander. »Hier gibt es nicht eine Fischschuppe, nicht ein Netz. Das hier ist ein Schmuggelfahrzeug. Aber was schmuggeln sie? Und wohin?«
»Alles«, antwortete der Major. »Da in unseren Ländern bisher alles Mangelware ist, kann man auch alles schmuggeln.«
»Ich werde herausfinden, wem das Boot gehört«, sagte Wallander. »Trotz meines Versprechens kann ich die Besitzverhältnisse untersuchen. Hätten Sie, Herr Major, ein solches Versprechen gegeben?«
»Nein«, antwortete Major Liepa. »Das hätte ich niemals getan.«
Es gab nicht viel mehr zu sehen. Als sie nach Ystad zurückgekehrt waren, verbrachte Wallander den Nachmittag mit dem mühseligen Unterfangen, den Besitzer des Fischerbootes »Byron« zu ermitteln. Das Boot hatte in den letzten Jahren unzählige |107| Male den Besitzer gewechselt. Unter anderem hatte es einer Handelsgesellschaft in Simrishamn gehört, die den Namen »Ruskpricks Fisk« trug. Danach war das Boot an einen Fischer namens Öhrström verkauft worden. Der wiederum hatte das Boot nach wenigen Monaten weiterverkauft. Zu guter Letzt gelang es Wallander herauszubekommen, daß das Boot im Moment einem Mann namens Sten Holmgren gehörte, wohnhaft in Ystad. Zu seiner Verwunderung stellte Wallander fest, daß der Mann in derselben Straße wohnte wie er, in der Mariagatan. Er schlug Sten Holmgren im Telefonbuch nach, ohne einen Eintrag zu finden. Bei der Kreisverwaltung in Malmö gab es keine Angaben über ein auf Sten Holmgren registriertes Unternehmen. Sicherheitshalber rief Wallander zusätzlich bei den Kreisverwaltungen in Kristianstad und Karlskrona an. Aber auch dort war kein Sten Holmgren registriert.
Wallander ließ den Stift fallen, ging hinaus und holte sich eine Tasse Kaffee. Als er in sein Büro zurückkam, klingelte das Telefon. Es war Anette Brolin, die mit ihm sprechen wollte.
»Rate mal, was ich euch mitzuteilen habe«, sagte sie.
»Vielleicht bist du wieder einmal mit einer unserer Ermittlungen unzufrieden?«
»Das auch. Aber darüber wollte ich im Moment nicht sprechen.«
»Dann weiß ich es nicht.«
»Die Ermittlungen hier werden eingestellt. Die Angelegenheit wird an Riga abgegeben.«
»Im Ernst?«
»Der Generalstaatsanwalt und das Außenministerium sind sich einig. Sie teilen mit, daß die Ermittlungen eingestellt werden. Ich habe es gerade erfahren. Alle Formalitäten scheinen schnell erledigt werden zu können. Jetzt kann dein Major wieder nach Hause fahren. Die Leichen
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