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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dachte er. Was mag eigentlich Major Liepa von all den jeansbekleideten Ordnungshütern in der kleinen und unbedeutenden schwedischen Stadt Ystad gehalten haben? Die niemals die Hand zum Gruß an die Mütze führten?
    »Wir haben für Sie ein Zimmer im Hotel ›Latvija‹ reservieren lassen«, sagte Oberst Putnis, als sie vom Flughafen wegfuhren. »Es ist das beste Hotel der Stadt. Es hat mehr als fünfundzwanzig Stockwerke.«
    »Es ist sicher ausgezeichnet«, meinte Wallander. »Ich möchte die Gelegenheit nutzen, einen Gruß zu übermitteln und Ihnen im Namen meiner Kollegen in Ystad unser Beileid aussprechen. Auch wenn wir nur wenige Tage mit Major Liepa zusammengearbeitet haben, hat er sich doch in dieser Zeit allseits Sympathie erworben.«
    »Danke«, sagte Oberst Putnis. »Der Tod des Majors war ein großer Verlust für uns alle.«
    Wieder wartete Wallander vergeblich auf eine Fortsetzung.
    Warum sagt er denn nichts, dachte er. Warum erzählt er mir nicht, was geschehen ist? Warum ist der Major ermordet worden? Von wem? Wie? Warum haben sie mich gebeten, hierher zu kommen? Gibt es Anhaltspunkte, die einen Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Majors in Schweden nahelegen?
    Er sah auf die Landschaft hinaus, durch die sie fuhren. Kahle Äcker, auf denen der Schnee in unregelmäßigen Wehen lag. Hier und dort ein gleichsam hingeworfenes, graues Wohnhaus, umgeben von rohen Holzzäunen. Irgendwo stapfte ein Schwein grunzend über einen Misthaufen. Alles vermittelte den Eindruck unendlicher Eintönigkeit und erinnerte ihn an die Fahrt, die er neulich mit seinem Vater nach Malmö gemacht hatte. Die schonische Landschaft mochte während der Wintermonate abstoßend sein, aber hier traf man auf eine |114| abweisende Leere, die alles übertraf, was er sich bisher hatte vorstellen können.
    Wallander überkam ein Gefühl der Trauer, als er die Landschaft betrachtete. Es war ihm, als habe die schmerzvolle Geschichte des Landes den Pinsel in einen niemals leer werdenden Eimer mit grauer Farbe getaucht.
    Plötzlich hatte er das Bedürfnis, etwas zu unternehmen. Er war nicht nach Riga gekommen, um sich von einer düsteren Winterlandschaft deprimieren zu lassen.
    »Ich hätte gerne so schnell wie möglich einen Bericht«, sagte er. »Was ist eigentlich passiert? Ich weiß nur, daß Major Liepa am gleichen Tag ermordet wurde, an dem er nach Riga zurückkehrte.«
    »Wenn Sie sich auf Ihrem Zimmer etwas frisch gemacht haben, werde ich Sie abholen«, sagte Oberst Putnis. »Wir haben für heute abend eine Besprechung geplant.«
    »Es reicht, wenn ich den Koffer abstellen kann«, meinte Wallander. »Ich brauche nur ein paar Minuten.«
    »Die Besprechung ist auf halb acht angesetzt worden«, antwortete Putnis. Wallander begriff, daß der Oberst vom festgelegten Tagesablauf nicht abweichen wollte.
    Die Abenddämmerung senkte sich über Rigas Vororte, als sie in Richtung Zentrum fuhren.
    Wallander betrachtete nachdenklich die tristen Wohnviertel, die sich beiderseits der Straße erstreckten. Es fiel ihm schwer, sich seiner Gefühle klar zu werden.
    Das Hotel lag mitten in der Stadt, am Ende eines breiten Boulevards. Wallander sah einen Moment lang ein Denkmal, offensichtlich eine Lenin-Statue. Das Hotel »Latvija« erhob sich wie ein dunkelblauer Pfeiler gegen den abendlichen Himmel. Oberst Putnis führte ihn eilig durch ein verwaistes Foyer zur Rezeption.
    Wallander hatte das Gefühl, sich in einem Parkhaus zu befinden, das nur notdürftig in die Eingangshalle eines Hotels verwandelt worden war. Am einen Ende blinkte eine Reihe |115| von Aufzügen. Über seinem Kopf führten Treppen in unterschiedliche Richtungen.
    Er stellte erstaunt fest, daß er sich nicht einzutragen brauchte. Oberst Putnis nahm seinen Schlüssel von einer Empfangsdame entgegen. Sie fuhren mit einem der engen Aufzüge in den fünfzehnten Stock hinauf. Wallander hatte Zimmer 1506, mit Aussicht über die Dächer der Stadt. Er fragte sich, ob er den Meerbusen sehen würde, wenn es wieder hell war.
    Oberst Putnis verließ ihn, nachdem er sich noch erkundigt hatte, ob er mit seinem Zimmer zufrieden sei. In zwei Stunden würde er wiederkommen und ihn zu der abendlichen Besprechung im Hauptquartier der Polizei abholen.
    Wallander stellte sich ans Fenster und betrachtete das Dächermeer, das sich vor seinen Augen ausbreitete. Tief unter ihm auf der Straße knatterte ein Lastwagen vorbei. Durch die undichten Fenster zog kalte Luft ins Zimmer hinein. Er faßte einen Heizkörper

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