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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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kann er mitnehmen.«
    »Da wird er sich freuen«, sagte Wallander. »Daß er wieder nach Hause fahren kann, meine ich.«
    »Bist du jetzt enttäuscht?«
    |108| »Nicht im geringsten.«
    »Du kannst ihn bitten, zu mir herüberzukommen. Ich habe Björk bereits verständigt. Ist Liepa in der Nähe?«
    »Er sitzt in Svedbergs Zimmer und raucht. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so viel raucht.«
     
    Mit einer frühen Maschine startete Major Liepa am nächsten Tag nach Stockholm, um von da aus nach Riga weiterzufliegen. Die beiden Zinksärge wurden im Auto nach Stockholm transportiert, um dort in ein Flugzeug verladen zu werden.
    Wallander und Major Liepa verabschiedeten sich beim Abflugschalter in Sturup. Wallander hatte als Abschiedsgeschenk einen Bildband über Schonen gekauft. Es war ihm nichts Besseres eingefallen.
    »Ich möchte gern erfahren, wie es weitergeht«, sagte er.
    »Sie sollen fortlaufende Informationen bekommen«, antwortete der Major.
    Sie gaben sich die Hand, und der Major ging.
    Ein eigenartiger Mann, dachte Wallander, als er vom Flughafen wegfuhr. Ich frage mich, was er eigentlich von mir hielt?
     
    Der nächste Tag war ein Samstag. Wallander schlief lange und besuchte danach seinen Vater. Am Abend aß er in einer Pizzeria und trank Wein. Seine Gedanken beschäftigten sich ununterbrochen mit der Frage, ob er sich nun bei der Gummifabrik in Trelleborg bewerben sollte oder nicht. Die Bewerbungsfrist würde bald enden. Den Sonntagvormittag verbrachte er mit trostloser Hausarbeit. Am Abend ging er in das einzige Kino, das es in Ystad noch gab. Er sah einen amerikanischen Polizeithriller. Gegen seinen Willen fand er ihn spannend, trotz aller unrealistischen Übertreibungen.
     
    Am Montag morgen betrat er sein Büro um kurz nach acht. Er hatte gerade seine Jacke ausgezogen, als Björk zur Tür hereinkam.
    |109| »Es ist ein Telex von der Polizei in Riga gekommen«, sagte er.
    »Von Major Liepa? Was schreibt er?«
    Björk sah mitgenommen aus.
    »Es scheint eher so zu sein, daß der Major überhaupt nicht mehr schreibt«, meinte Björk zögernd.
    Wallander sah ihn fragend an.
    »Was meinst du damit?«
    »Major Liepa ist ermordet worden«, sagte Björk. »Noch am gleichen Tag, an dem er nach Hause kam. Dieses Telex ist von einem Polizeioberst unterzeichnet worden, der Putnis heißt. Sie wollen unsere Hilfe. Du wirst wahrscheinlich hinfahren müssen.«
    Wallander setzte sich auf seinen Stuhl und las das Telex.
    Der Major war tot? Ermordet?
    »Das tut mir leid«, sagte Björk. »Schreckliche Geschichte. Ich werde den Landespolizeichef anrufen und ihn wegen ihrer Bitte um Rat fragen.«
    Wallander saß wie gelähmt auf seinem Stuhl.
    Major Liepa war ermordet worden?
    Er hatte einen Kloß im Hals. Wer hatte den kurzsichtigen, kettenrauchenden, kleinen Mann auf dem Gewissen? Und warum?
    Er dachte an den toten Rydberg. Plötzlich fühlte er sich sehr einsam auf der Welt.
    Drei Tage später reiste er nach Lettland. Kurz vor zwei, am Nachmittag des 28.   Februar, flog die Maschine der Aeroflot in einer Linkskurve über den Rigaer Meerbusen.
    Wallander betrachtete die tief unter ihm liegende See und fragte sich, was ihn erwartete.

|110| 7
    Das erste, was ihm auffiel, war die Kälte.
    Als er in der Warteschlange vor der Paßkontrolle stand, war es dort so eisig wie auf dem Weg vom Flugzeug in die Ankunftshalle. Er war in ein Land gekommen, in dem es drinnen so kalt war wie draußen, und er bereute, keine langen Unterhosen mitgenommen zu haben.
    Die Schlange fröstelnder Passagiere bewegte sich langsam durch die düstere Halle vorwärts. Zwei Dänen beklagten sich inmitten betretenen Schweigens lautstark darüber, was sie während ihres Aufenthaltes zu erwarten hätten. Der ältere der beiden Männer war offensichtlich früher schon einmal in Lettland gewesen. Jetzt unterrichtete er seinen jüngeren Kollegen von der hoffnungslosen Stimmung, einer Mischung aus Apathie und Unsicherheit, die seiner Meinung nach im Lande herrschte. Wallander ärgerte sich über die lautstarken Dänen. Sie sollten einem kurzsichtigen, lettischen Major, der einige Tage zuvor ermordet worden war, mehr Respekt erweisen.
    Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was er über das Land wußte, das er gerade betrat. Vor wenigen Wochen noch hätte er die baltischen Länder auf einer Karte kaum richtig zuordnen können. Tallinn hätte für ihn genauso gut die Hauptstadt Lettlands und Riga eine bedeutende Hafenstadt in Estland sein

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