Wallander 02 - Hunde von Riga
an, der kaum mehr als lauwarm war. Von irgendwoher hörte er das unermüdliche Klingeln eines Telefons.
Lange Unterhosen, dachte er. Das ist das erste, was ich morgen kaufen werde.
Er packte den Koffer aus und stellte seine Toilettenutensilien in das geräumige Badezimmer. Auf dem Flughafen hatte er eine Flasche Whisky gekauft. Nach kurzem Zögern goß er sich einen Schluck in einen Zahnbecher. Er stellte das Radio an, ein russisches Fabrikat, das auf einem Tisch neben dem Bett stand. Ein aufgeregt klingender Mann sprach sehr schnell, als kommentiere er eine Sportart, bei der sich die Ereignisse überschlugen. Wallander schlug die Tagesdecke etwas zur Seite und legte sich aufs Bett.
Jetzt bin ich in Riga, dachte er, und weiß immer noch nicht, was Major Liepa zugestoßen ist. Ich weiß nur, daß er tot ist. Vor allem aber weiß ich nicht, was dieser Oberst Putnis sich von meinem Aufenthalt hier eigentlich erhofft.
Es wurde zu kalt, um auf dem Bett liegenzubleiben. Er |116| beschloß, zur Rezeption hinunterzufahren und Geld zu tauschen. Vielleicht hatte das Hotel auch eine Bar, in der er einen Kaffee trinken konnte?
Unten in der Halle entdeckte er zu seinem Erstaunen die beiden dänischen Geschäftsleute, die ihm auf dem Flughafen so unangenehm aufgefallen waren. Der Ältere stand an der Portiersloge und wedelte wütend mit einer Karte. Es sah ein wenig so aus, als erklärte er der Frau hinter der Theke, wie man einen Papierdrachen oder einen Papierflieger faltet, und Wallander merkte, daß er einem Lachanfall nahe war. Dann entdeckte er das Exchange-Schild. Eine ältere Frau nickte ihm freundlich zu, und er schob ihr zwei Hundertdollarscheine hinüber. Er bekam einen großen Packen lettisches Geld zurück. Als er zur Rezeption zurückkehrte, waren die beiden Dänen verschwunden. Er fragte den Portier, wo er eine Tasse Kaffee trinken könnte, und wurde in den großen Speisesaal verwiesen. Ein Ober führte ihn zu einem Fenstertisch und gab ihm die Speisekarte. Er entschied sich für Omelett und Kaffee. Draußen vor der Fensterfront konnte man schemenhaft pelzbekleidete Fußgänger und vorbeirasselnde Oberleitungsbusse erkennen. Die schweren Gardinen bewegten sich leicht in der Zugluft, die von den undichten Fenstern hereinströmte. Er sah sich in dem fast menschenleeren Speisesaal um. An einem Tisch saß ein älteres Paar, das schweigend zu Abend aß, an einem anderen saß ein Mann in einem grauen Anzug und trank Tee. Das war alles.
Wallander dachte an den gestrigen Abend zurück, als er mit einem Nachmittagsflug von Sturup nach Stockholm gekommen war. Seine Tochter Linda hatte ihn abgeholt, als der Zubringerbus vom Flughafen am Hauptbahnhof hielt. Gemeinsam gingen sie zum Hotel »Central«, das ganz in der Nähe auf der Vasagatan lag. Weil sie zur Untermiete in einem Zimmer im Stadtteil Bromma, gleich neben der Volkshochschule, wohnte, hatte er für sie in seinem Hotel ein Zimmer reservieren lassen. Am Abend hatte er sie zum Essen in ein Restaurant in |117| Gamla Stan, der Altstadt, eingeladen. Sie hatten sich vor Monaten das letzte Mal gesehen, und er merkte, daß die Unterhaltung dahinplätscherte von einem nichtssagenden Thema zum nächsten. Er fragte sich, ob ihre Briefe wirklich der Wahrheit entsprachen. Es gefalle ihr auf der Volkshochschule, hatte sie geschrieben. Aber als er jetzt danach fragte, bekam er nur einsilbige Antworten. Er konnte nicht verhindern, daß seine Stimme etwas gereizt klang, als er nach ihren Zukunftsplänen fragte. Sie antwortete, daß sie noch keine Ahnung habe.
»Wird es dafür nicht langsam mal Zeit?« hatte er gefragt.
»Darüber entscheidest ja wohl nicht du«, hatte sie geantwortet. Daraufhin hatten sie begonnen, sich zu streiten, ohne dabei laut zu werden. Er hatte gesagt, daß sie nicht einfach immer weiter unentschlossen von einer Schule zur nächsten ziehen könne, und sie hatte erwidert, daß sie alt genug wäre, darüber selbst zu entscheiden.
Da hatte er begriffen, daß Linda wie er war. Er konnte nicht herausfinden, was es war, aber er glaubte, in ihrer Stimme seine eigene Stimme zu hören, und er dachte, daß sich etwas wiederholte. In ihrem Gespräch meinte er, sein eigenes kompliziertes Verhältnis zu seinem Vater gespiegelt zu sehen.
Sie tranken Wein und nahmen sich viel Zeit beim Essen. Langsam nahm die Spannung und Gereiztheit zwischen ihnen ab. Wallander erzählte von seiner bevorstehenden Reise, und einen kurzen Moment lang spielte er mit dem Gedanken,
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