Wallander 02 - Hunde von Riga
Schreibtisch vom Fenster weg. Der Dom von Riga war das Motiv auf der Karte an Björk. Dort in der Nähe wohnte Baiba Liepa, von dort war der Major eines Abends durch einen Telefonanruf hinausgelockt |144| worden.
Wer hat angerufen, Baiba? Herr Eckers wartet in seinem Zimmer, wartet auf eine Antwort.
Er schrieb an Björk, an Linda und an seinen Vater. Bei der letzten Karte zögerte er und schrieb dann schließlich einen Gruß an seine Schwester Kristina.
Es war schon sieben Uhr. Er ließ lauwarmes Wasser in die Badewanne einlaufen und stellte vorsichtig ein Glas Whisky auf dem Wannenrand ab. Er schloß die Augen und überdachte alles noch einmal.
Das Rettungsboot, die toten Männer, ihre merkwürdige Umarmung. Er versuchte, zu erkennen, was er bisher übersehen hatte. Rydberg hatte oft von der Fähigkeit gesprochen,
das Unsichtbare zu sehen
. Das Unerwartete im scheinbar Natürlichen zu entdecken. Er ging den Verlauf der Ereignisse methodisch durch. Welche Spur hatte er bisher nicht erkannt?
Nach dem Bad setzte er sich an den Schreibtisch und schrieb neue Gesichtspunkte nieder. Er war sich nun sicher, daß die beiden Obersten der lettischen Polizei auf dem richtigen Weg waren. Nichts widersprach der Vermutung, daß die Männer im Rettungsboot einer internen Abrechnung zum Opfer gefallen waren. Warum sie ohne ihre Jacketts erschossen und anschließend in ein Rettungsboot verfrachtet worden waren, war kaum von ausschlaggebender Bedeutung. Er war nicht mehr davon überzeugt, daß die Täter mit der Entdeckung der Leichen gerechnet hatten.
Warum wurde das Rettungsboot gestohlen
, schrieb er dann.
Von wem? Wie konnten lettische Kriminelle so schnell nach Schweden kommen? Wurde der Diebstahl von Schweden begangen, oder von in Schweden lebenden Letten, die eine Übernahme auf schwedischem Boden organisieren sollten?
Er setzte seine Überlegungen fort. Major Liepa war am Abend seiner Rückkehr aus Schweden ermordet worden. Es sprach vieles dafür, daß er zum Schweigen gebracht worden war.
Was wußte Major Liepa
, schrieb er.
Und warum wird mir ein Ermittlungsbericht vorgelegt, der vom eigentlichen Tatort ablenken soll?
|145| Er las seine Aufzeichnungen durch und fuhr fort.
Baiba Liepa
, schrieb er.
Was weiß sie, und warum will sie es der Polizei nicht erzählen?
Er schob seine Aufzeichnungen zur Seite und goß sich ein neues Glas Whisky ein. Es war fast zehn, und er hatte Hunger. Er nahm den Hörer ab, um zu kontrollieren, ob das Telefon funktionierte. Danach ging er hinunter zur Rezeption und hinterließ dort die Nachricht, daß er in den Speisesaal gegangen war. Er sah sich in der Eingangshalle um. Nirgendwo entdeckte er einen seiner Beschatter. Im Speisesaal bekam er wieder denselben Tisch zugewiesen. Vielleicht befindet sich ja ein Mikrofon im Aschenbecher, dachte er sarkastisch. Vielleicht sitzt ja auch ein Mann unter dem Tisch und mißt meinen Puls? Er trank eine halbe Flasche armenischen Wein und aß dazu gekochtes Huhn mit Kartoffeln. Jedesmal, wenn sich die Schwingtüren zur Eingangshalle öffneten, dachte er, der Portier käme, um ihm mitzuteilen, daß ein Anruf für ihn gekommen sei. Er trank ein Glas Kognak zum Kaffee und blickte sich im Speisesaal um. An diesem Abend waren viele Tische besetzt. In einer Ecke saßen ein paar Russen und an einer langen Tafel eine Gruppe Deutscher, zusammen mit ihren lettischen Gastgebern. Es war fast halb elf, als er die unglaublich niedrige Rechnung bezahlte. Er überlegte einen Augenblick, ob er den Nachtclub aufsuchen sollte. Dann entschied er sich dagegen und fuhr in den fünfzehnten Stock hinauf.
Als er den Schlüssel ins Schloß steckte, hörte er das Telefon klingeln. Er fluchte, riß die Tür auf und schnappte sich den Hörer.
Kann ich mit Herrn Eckers sprechen?
Es war die Stimme eines Mannes, dessen englische Aussprache sehr schlecht war. Wallander antwortete wie abgemacht, daß es hier keinen Herrn Eckers gebe.
Es muß ein Mißverständnis sein.
Der Mann entschuldigte sich und legte auf.
Benutzen Sie die Hintertür. Please, please.
Er nahm seine Jacke, setzte die Wollmütze auf, überlegte es sich anders und steckte sie in die Tasche. Als er in der Eingangshalle |146| ankam, vermied er, von der Rezeption aus gesehen zu werden. Die Deutschen kamen gerade aus dem Speisesaal, als er sich den Schwingtüren näherte. Er ging schnell die Treppe hinunter, die zur Hotelsauna führte und dann in einen Flur mündete, der zum Lieferanteneingang des Hotels führte. Die graue
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