Wallander 02 - Hunde von Riga
ausdrücken: Sie war erfreut, Sie treffen zu dürfen.«
Murniers ging, und zwei Stunden später hatte Zids alle Berichte übersetzt. Wallander hatte die unscharfen Fotos der Leiche betrachtet. Sein Gefühl, daß etwas Entscheidendes nicht stimmte, hatte sich noch verstärkt. Er konnte am besten denken, wenn er sich mit etwas anderem beschäftigte, deshalb bat er den Sergeant, ihn zu einem Geschäft zu fahren, in dem er lange Unterhosen kaufen konnte.
Long underpants
, hatte er gesagt, und der Sergeant hatte kein Erstaunen gezeigt. Wallander wurde die Absurdität der ganzen Situation bewußt, als |137| er in das empfohlene Konfektionsgeschäft marschierte. Es kam ihm vor, als kaufte er mit einer Polizeieskorte lange Unterhosen. Zids brachte sein Anliegen vor und bestand darauf, daß Wallander die Unterhosen vor dem Kauf anprobierte. Er nahm zwei Paar, die ihm in braunes Papier eingeschlagen und verschnürt wurden. Als sie wieder auf die Straße traten, schlug Wallander vor, Mittagessen zu gehen.
»Aber nicht im Hotel ›Latvija‹«, sagte er. »Wo auch immer, aber nicht dort.«
Sergeant Zids verließ die großen Straßen und tauchte in die Gassen der Altstadt ein. Wallander dachte, daß er nun auf dem Weg in ein neues Labyrinth war, aus dem er niemals allein wieder hinausfinden würde.
Das Restaurant hieß »Sigulda«. Wallander aß ein Omelett, während der Sergeant einen Teller Suppe vorzog. Die Luft war schlecht und stickig. Als sie das Restaurant betraten, hatte es keinen freien Platz gegeben. Wallander hatte beobachtet, wie der Sergeant einfach einen Tisch gefordert hatte.
»In Schweden wäre das unmöglich gewesen«, sagte er, während sie aßen. »Daß ein Polizist in ein Restaurant geht und einen Tisch fordert, obwohl alle Plätze besetzt sind.«
»Hier ist das anders«, erwiderte Sergeant Zids ungerührt. »Man will sich möglichst gut mit der Polizei stellen.«
Wallander wurde wütend. Sergeant Zids war für diese Arroganz noch etwas zu jung.
»In Zukunft will ich nicht, daß wir uns in irgendwelchen Schlangen vordrängeln«, sagte er mit Nachdruck.
Der Sergeant sah ihn erstaunt an.
»Dann bekommen wir nichts zu essen«, erwiderte er.
»Das Restaurant im Hotel ›Latvija‹ ist immer leer«, antwortete Wallander.
Um kurz vor zwei waren sie wieder im Polizeihauptquartier. Während des Essens hatte Wallander schweigend dagesessen und darüber gegrübelt, was an dem Bericht nicht stimmte. Er war zu dem Schluß gekommen, daß die Makellosigkeit des |138| Berichts ihn störte. Er schien mit der besten Absicht verfaßt worden zu sein, alle weiteren Fragen überflüssig zu machen. Weiter war er in seinen Überlegungen nicht gekommen, traute auch seinem Urteilsvermögen nicht recht. Vielleicht sah er einfach nur Gespenster, wo es gar keine Gespenster gab?
Murniers hatte sein Büro verlassen, und Oberst Putnis war immer noch mit seinem Verhör beschäftigt. Der Sergeant ging, um Baiba Liepa zu holen, und Wallander blieb allein in dem ihm zugewiesenen Büro zurück. Er fragte sich, ob es abgehört wurde oder jemand ihn durch ein verstecktes Spiegelfenster beobachtete. Wie um seine Unschuld zu unterstreichen, öffnete er das Paket, zog die Hose aus und die lange Unterhose an. Sie begann gerade zu kratzen, als es an die Tür klopfte. Er rief »Herein«, und der Sergeant öffnete für Baiba Liepa.
Jetzt bin ich Wallander. Nicht Herr Eckers. Es gibt keinen Herrn Eckers. Gerade aus dem Grund habe ich mit Ihnen sprechen wollen.
»Spricht Major Liepas Witwe Englisch?« fragte er den Sergeant.
Zids nickte.
»Dann können Sie uns jetzt allein lassen.«
Er hatte versucht, sich vorzubereiten.
Ich muß daran denken, daß alles, was ich sage und tue, für verborgene Überwacher sichtbar ist. Wir können nicht einmal den Finger warnend auf den Mund legen, geschweige denn Zettel schreiben. Und Baiba Liepa muß verstehen, daß Herr Eckers nach wie vor existiert.
Sie trug einen dunklen Mantel, eine Pelzmütze und eine Brille, die sie am Morgen noch nicht getragen hatte. Sie nahm die Mütze ab und schüttelte ihr halblanges, dunkles Haar aus.
»Bitte setzen Sie sich, Frau Liepa«, sagte Wallander. Gleichzeitig lächelte er, ein flüchtiges Lächeln, als ob er heimlich mit einer Taschenlampe ein vereinbartes Signal gegeben hätte. Er merkte, daß sie offensichtlich nichts anderes erwartet hatte. Er wußte, daß er noch einmal all die Fragen stellen mußte, die |139| sie bereits beantwortet hatte. Aber vielleicht
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