Wallander 02 - Hunde von Riga
Gefängniskorridor gleichenden Gang zu der neugebauten Halle für Inlandsflüge geschleppt hatte, wo er auf sein Flugzeug nach Malmö warten sollte, war er schon dabei, sich nach Riga zurückzuträumen, in die Stadt, in der die unsichtbaren Hunde ihn bewacht hatten. Das Flugzeug nach Malmö hatte Verspätung gehabt, deshalb bekam er einen Gutschein für einen Imbiß. Er war lange sitzen geblieben und hatte auf das Flugfeld hinausgeschaut, auf dem in Wirbeln aus feinem Schnee Flugzeuge starteten und landeten. Um ihn herum sprachen maßgeschneiderte Herren ununterbrochen in ihre Handys, und zu seiner großen Verwunderung hörte er, wie ein übergewichtiger Handelsreisender für Zentrifugalpumpen einem Kind das Märchen von Hänsel und Gretel erzählte. Dann hatte er selbst von einer Telefonzelle aus seine Tochter angerufen und tatsächlich auch erreicht. Er hatte sich sehr gefreut, ihre Stimme zu hören. Einen Moment lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, noch ein paar Tage in Stockholm zu bleiben, aber er konnte ihren Worten entnehmen, daß sie viel zu tun hatte, und ließ den Vorschlag daher unausgesprochen. Statt dessen hatte er an Baiba Liepa gedacht, an ihre Angst und ihren Trotz, und er fragte sich, warum sie glaubte, daß der schwedische Polizist sie nicht enttäuschen würde. Aber was konnte er eigentlich tun? Kehrte er zurück, würden die Hunde sofort seine Witterung aufnehmen, und er würde sich niemals von ihnen befreien können.
Als er am späten Abend nach Sturup gekommen war, war niemand dort, um ihn abzuholen. Er hatte ein Taxi nach Ystad |245| genommen, auf dem dunklen Rücksitz gesessen und mit dem Fahrer, der viel zu schnell fuhr, über das Wetter geredet. Als es nichts mehr über den Nebel und den im Scheinwerferlicht aufwirbelnden, feinen Schnee zu sagen gab, hatte er plötzlich geglaubt, Baiba Liepas Duft im Auto wahrzunehmen, und gefürchtet, sie vielleicht nie mehr wiederzusehen.
Am Tag nach seiner Rückkehr fuhr er zu seinem Vater nach Löderup hinaus. Die Haushaltshilfe hatte ihm die Haare geschnitten, und Wallander fand, daß er so gesund aussah, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Er hatte ihm eine Flasche Kognak mitgebracht, und sein Vater nickte zufrieden, nachdem er das Etikett studiert hatte.
Zu seiner eigenen Verwunderung erzählte er seinem Vater von Baiba.
Sie saßen in dem alten Schuppen, der seinem Vater als Atelier diente. Auf der Staffelei stand ein unvollendetes Bild. Die Landschaft war die ewig gleiche. Aber Wallander sah, daß dies eins der Gemälde war, die im Vordergrund mit einem Auerhahn versehen wurden. Als er mit seinem Kognak hereinkam, war sein Vater gerade dabei, den Schnabel des Auerhahns zu kolorieren. Aber dann legte er den Pinsel beiseite und wischte sich die Hände an einem nach Terpentin riechenden Stoffetzen ab. Wallander erzählte von seiner Reise nach Riga, und plötzlich, ohne zu wissen warum, beschrieb er nicht länger die Stadt, sondern erzählte von seiner Begegnung mit Baiba Liepa. Er verschwieg allerdings, daß sie die Witwe eines ermordeten Polizisten war. Er nannte nur ihren Namen, erzählte, daß er sie getroffen hatte, daß er sie vermißte.
»Hat sie Kinder?« fragte sein Vater.
Wallander schüttelte den Kopf.
»Kann sie Kinder bekommen?«
»Das nehme ich an. Woher soll ich das wissen?«
»Du weißt doch wohl, wie alt sie ist?«
»Jünger als ich, vielleicht dreißig.«
|246| »Dann kann sie also Kinder bekommen.«
»Warum fragst du überhaupt, ob sie Kinder bekommen kann?«
»Weil ich glaube, daß es das ist, was du brauchst.«
»Ich habe schon ein Kind. Ich habe Linda.«
»Eins ist zu wenig. Jeder Mensch sollte mindestens zwei Kinder haben, um zu begreifen, worum es eigentlich geht. Hol sie nach Schweden. Heirate sie!«
»Ganz so einfach ist das nun auch nicht.«
»Mußt du immer alles so verdammt kompliziert machen, bloß weil du Polizist bist?«
Da war es wieder, dachte Wallander. Nun sind wir wieder an dem Punkt angelangt. Es ist unmöglich, ein Gespräch mit ihm zu führen, ohne daß er sofort einen Grund findet, mich anzugreifen, weil ich damals zur Polizei gegangen bin.
»Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?« fragte er.
Sein Vater sah ihn mißtrauisch an.
»Warum sollte ich das nicht können«, erwiderte er. »Wem sollte ich schon etwas anvertrauen können?«
»Ich werde vielleicht kündigen«, sagte Wallander. »Ich werde mir vielleicht was anderes suchen, als Sicherheitsbeauftragter der Gummifabrik in
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