Wallander 03 - Die weisse Löwin
sich. Victor Mabasha wußte nun, daß er genau so stark zugeschlagen hatte wie geplant.
Er bog auf den Friedhof ab und blieb im Schatten eines grünen Hauses stehen, wo tagsüber Blumen und Kränze verkauft wurden. |272| Nun war das Geschäft verdunkelt und geschlossen. Er schaltete die Scheinwerfer aus und beobachtete aufmerksam den Verkehr an der Abfahrt. Aber kein Fahrzeug bremste.
Er wartete noch weitere zehn Minuten. Aber es geschah nichts, außer daß der Polizist zum Leben erwachte.
»Keinen Ton«, zischte Victor Mabasha und riß ihm den Klebestreifen vom Mund.
Ein Polizist kapiert das, dachte er. Er weiß, wann es ein Mensch ernst meint. Dann fragte er sich, ob man auch in diesem Land dafür gehenkt wurde, wenn man einen Polizisten als Geisel nahm.
Er stieg aus, lauschte und sah sich um. Abgesehen vom fernen Brausen des Verkehrs war alles still. Er ging zur Beifahrerseite hinüber und bedeutete dem Mann auszusteigen. Dann führte er ihn zu einem der eisernen Gartentore, und sie verschwanden schnell im Dunkeln zwischen Kieswegen und Grabsteinen.
Victor Mabasha geleitete ihn zu dem Grabgewölbe, dessen Eisentür er ohne weiteres aufgebrochen hatte. In dem feuchten Raum roch es muffig. Aber Friedhöfe schreckten ihn nicht. Früher hatte er sich schon oft zwischen den Toten versteckt.
Er hatte eine Gaslampe und einen zweiten Schlafsack gekauft. Der Polizist weigerte sich zuerst, ihm in das Grab zu folgen, und leistete Widerstand.
»Ich werde dich nicht töten«, sagte Victor Mabasha. »Ich werde dich auch nicht verletzen. Aber du mußt hineingehen.«
Er stieß den Polizisten auf einen der Schlafsäcke hinunter, zündete die Lampe an und ging dann noch einmal hinaus, um zu prüfen, ob der Lichtschein nach draußen drang. Aber alles war finster.
Wieder blieb er stehen und lauschte. Die vielen Jahre ständiger Wachsamkeit hatten sein Gehör trainiert. Auf einem Kiesweg hatte sich etwas gerührt. Kollegen des Polizisten, die ihn absichern sollten. Oder ein Nachttier.
Schließlich meinte er, sich nicht bedroht fühlen zu müssen. Er ging wieder in die Grabkammer und hockte sich vor den Polizisten, der Kurt Wallander hieß.
Dessen Angst hatte sich nun in Schrecken, vielleicht Entsetzen verwandelt.
|273| »Wenn du tust, was ich sage, wird dir nichts geschehen«, sagte Victor. »Aber du mußt meine Fragen beantworten. Und die Wahrheit sagen. Ich weiß, daß du Polizist bist. Ich sehe, daß du immer wieder auf meine linke Hand schaust, wo ich einen Verband trage. Das bedeutet, daß du meinen Finger gefunden hast, den Konovalenko abgeschnitten hat. Ich will dir gleich sagen, daß er es war, der die Frau getötet hat. Ob du mir glauben willst oder nicht, ist deine Sache. Ich kam in dieses Land, um eine kurze Zeit zu bleiben. Und ich habe mich entschlossen, lediglich einen einzigen Menschen zu töten: Konovalenko. Aber zuerst mußt du mir helfen, indem du mir sagst, wo er ist. Wenn Konovalenko tot ist, werde ich dich sofort freilassen.«
Victor Mabasha wartete auf eine Antwort. Dann erinnerte er sich, daß er etwas vergessen hatte. »Hast du einen Schatten? Ein Auto, das dir folgt?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Du bist allein?«
»Ja«, antwortete der Polizist und verzog das Gesicht.
»Ich mußte vermeiden, daß du anfängst, mit mir zu kämpfen. Aber ich glaube, der Schlag war nicht zu hart.«
»Nein«, murmelte der Mann und zog wieder eine Grimasse.
Victor Mabasha saß schweigend. Jetzt hatte er keine Eile. Die Stille sollte den Polizisten ruhiger machen.
Victor Mabasha fühlte Sympathie für die Angst des Gefangenen. Er wußte, wie verlassen der Schreck einen Menschen machen kann.
»Konovalenko«, sagte er leise. »Wo ist er?«
»Ich weiß nicht.«
Victor Mabasha betrachtete ihn und entnahm der Antwort, daß Konovalenko der Polizei zwar bekannt war, daß man jedoch nicht wußte, wo er sich gegenwärtig aufhielt. Er hatte sich verrechnet. Das würde das Ganze beschwerlicher, zeitaufwendiger machen. Aber im Grunde tat es nichts zur Sache. Gemeinsam würden sie nach Konovalenko suchen können.
Victor Mabasha berichtete langsam über alles, was im Zusammenhang mit der Ermordung der Frau geschehen war. Aber er erwähnte nichts darüber, warum er sich in Schweden befand.
|274| »Also war er es, der das Haus in die Luft gesprengt hat«, sagte Wallander, als er mit seiner Erzählung fertig war.
»Jetzt weißt du, was geschehen ist. Jetzt sollst du mir berichten.«
Der Polizist war plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher