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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Traktor verschwand in einer Senke. Wallander stellte sich vor, daß sich diese Senke bis an ein bodenloses Meer aus Lehm erstreckte.
    Der Zug fuhr ruckend an. Linda wachte auf und sah ihn an. »Sind wir da?« fragte sie verschlafen. »Wie lange habe ich geschlafen?«
    |279| »Eine Viertelstunde vielleicht«, antwortete er und lächelte. »Wir sind noch nicht mal in Nässjö.«
    »Ich brauche einen Kaffee«, sagte sie gähnend. »Du auch?«
    Dann blieben sie bis Hässleholm im Speisewagen sitzen. Zum erstenmal erzählte er ihr die eigentliche Geschichte seiner beiden Reisen nach Riga im Jahr zuvor. Sie lauschte fasziniert.
    »Das klingt, als handle es sich gar nicht um dich«, sagte sie, als er fertig war.
    »Dasselbe Gefühl habe ich auch.«
    »Du hättest ja umkommen können. Hast du denn nie an mich und Mama gedacht?«
    »An dich ja. Aber wohl nie an deine Mutter.«
    Als sie Malmö erreichten, brauchten sie nur eine halbe Stunde auf den Anschlußzug nach Ystad zu warten. Kurz vor vier waren sie in seiner Wohnung. Er machte das Gästezimmer für sie zurecht und erinnerte sich, als er ein frisches Laken suchte, daß er den Waschtermin völlig vergessen hatte. Gegen sieben gingen sie in eine der Pizzerien in der Hamngata und aßen zu Abend. Sie waren beide müde und bereits vor neun wieder zu Hause.
    Linda rief ihren Großvater an, Wallander stand neben ihr und lauschte. Sie versprach, ihn am nächsten Tag zu besuchen.
    Er wunderte sich, wie anders die Stimme seines Vaters klang, wenn er mit ihr sprach.
    Ihm fiel ein, daß er Lovén anrufen mußte. Aber er ließ es bleiben, denn noch wußte er nicht, wie er erklären sollte, warum er nicht sofort nach den Ereignissen auf dem Friedhof die Polizei benachrichtigt hatte. Er verstand es ja selbst nicht. Es war geradezu ein Dienstvergehen. Verlor er allmählich die Kontrolle über seine Handlungen? Oder hatte die Angst seinen Willen gelähmt?
    Als sie eingeschlafen war, blieb er lange stehen und schaute auf die leere Straße hinunter.
    In seinen Gedanken wechselten die Bilder von Victor Mabasha und Konovalenko.
     
    |280| Zur selben Zeit, als Wallander in Ystad am Fenster stand, konnte Vladimir Rykoff konstatieren, daß sich die Polizei immer noch für seine Wohnung interessierte. Er hielt sich zwei Stockwerke höher im selben Haus auf. Konovalenko war es gewesen, der eines Tages vorgeschlagen hatte, eine Zufluchtsmöglichkeit zu schaffen, wenn die normalen Räume aus irgendeinem Grunde nicht bewohnt werden konnten oder sollten. Konovalenko hatte auch erklärt, daß das sicherste Versteck nicht immer das ist, was sich am weitesten entfernt befindet. Am besten sei es immer, das Unerwartete zu tun. Also hatte Rykoff auf Tanias Namen eine identische Wohnung zwei Treppen höher gemietet. Das erleichterte auch den Transport der notwendigen Kleider und des anderen Gepäcks.
    Am Tag zuvor hatte Konovalenko angewiesen, die Wohnung zu räumen. Er hatte Vladimir und Tania ins Kreuzverhör genommen und festgestellt, daß der Polizist aus Ystad offenbar tüchtig war. Man durfte ihn nicht unterschätzen. Sie mußten auch damit rechnen, daß die Polizei das Haus durchsuchen würde. Vor allem fürchtete Konovalenko jedoch, daß Vladimir und Tania strengeren Verhören unterworfen werden könnten. Er war nicht sicher, ob sie immer in der Lage waren zu beurteilen, was sie sagen durften und was nicht.
    Konovalenko hatte auch erwogen, sie zu erschießen. Aber er hatte es als unnötig eingeschätzt. Vladimirs Fußarbeit konnte ihm immer noch von Nutzen sein. Außerdem würde die Polizei nur noch aufgeregter werden, als sie es ohnehin schon war.
    Sie zogen noch am selben Abend in die andere Wohnung. Konovalenko hatte Vladimir und Tania nachdrücklich eingeschärft, sich in den nächsten Tagen nicht draußen sehen zu lassen.
    Zu den ersten Regeln, die Konovalenko als junger KG B-Mann gelernt hatte, gehörte die, daß es in der lichtscheuen Welt der Nachrichtendienste gewisse Todsünden gab. Ein Diener des Geheimen zu sein hieß, Mitglied einer Bruderschaft zu sein, deren wichtigste Gesetze in unsichtbarer Schrift festgehalten waren. Die schwerste Sünde war natürlich der doppelte Verrat, seine eigene Organisation zu verraten, es aber gleichzeitig als Dienst für eine fremde Macht zu tun. In der mythischen Hölle der Geheimdienste |281| befanden sich die Maulwürfe dem Zentrum des Infernos am nächsten.
    Es gab auch noch andere Todsünden. Eine war, zu spät zu kommen.
    Nicht nur zu einem

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