Wallander 03 - Die weisse Löwin
wandte Peters ein. »Und warum hält er nicht an, wenn er uns sieht?«
»Es war, als wollte er uns nicht sehen. Das ist wie mit Kindern. Wenn sie die Augen zumachen, denken sie, daß keiner sie sehen kann.«
Peters nickte. »Glaubst du, er hat Probleme?«
»Nein«, sagte Norén. »Aber wo hat er den Neger gefunden?«
Dann wurden sie durch einen Alarm unterbrochen. Ein verlassenes Motorrad war vermutlich mit einer in Bjäresjö gestohlenen Maschine identisch. Als sie ihre Schicht absolviert hatten, kehrten sie ins Polizeigebäude zurück. Zu ihrem Erstaunen erfuhren sie, als sie im Kaffeeraum nach ihm fragten, daß Wallander sich nicht gezeigt hatte. Peters wollte gerade von ihrer Begegnung berichten, als er sah, wie Norén schnell einen Finger auf die Lippen legte.
»Warum sollte ich nichts sagen?« fragte er, als sie im Umkleideraum saßen und sich fertigmachten, um nach Hause zu fahren.
»Wenn Wallander sich hier nicht hat sehen lassen, muß das etwas zu bedeuten haben. Was, das geht weder dich noch mich etwas an. Außerdem kann es ja ein ganz anderer Neger gewesen sein. Martinsson hat einmal erzählt, daß Wallanders Tochter mit einem Afrikaner geht. Das kann er ja gewesen sein, was wissen wir denn?«
»Ich meine, es ist trotzdem merkwürdig.«
Dieses Gefühl hatte er immer noch, als er in seinem Reihenhaus an der Straße nach Kristianstad angekommen war. Nachdem er zu Abend gegessen und eine Weile mit den Kindern gespielt hatte, ging er mit dem Hund hinaus. Da Martinsson im selben Viertel wohnte, war er zu dem Entschluß gekommen, ihn anzurufen und ihm zu erzählen, was Norén und er gesehen hatten. Martinsson hatte ihn neulich gefragt, ob er sich in die Warteschlange einreihen dürfe, sollte seine Labradorhündin einmal Welpen bekommen.
|304| Martinsson öffnete selbst. Er wollte, daß Peters hereinkam.
»Ich muß gleich wieder nach Hause«, sagte Peters. »Aber da ist eine Sache, über die ich mit dir reden wollte. Hast du Zeit?«
Martinsson, der sich in der Volkspartei engagierte und auf einen Sitz im Stadtrat hoffte, hatte gerade einige langweilige politische Lageberichte gelesen, die die Partei ihm geschickt hatte. Er zog sich eine Jacke über und ging mit. Peters erzählte, was am Nachmittag geschehen war.
»Bist du sicher?« fragte Martinsson, als Peters schwieg.
»Wir können uns doch nicht beide getäuscht haben.«
»Komisch. Ich hätte es doch sofort erfahren, wenn es der Afrikaner gewesen wäre, dem ein Finger fehlt.«
»Vielleicht war es der Freund seiner Tochter.«
»Wallander hat erzählt, sie hätten Schluß gemacht.«
Sie liefen eine Weile schweigend und schauten dem Hund zu, der an der Leine zerrte.
»Es war, als ob er uns nicht sehen wollte«, sagte Peters vorsichtig. »Und das kann ja nur eines bedeuten. Daß er nicht wollte, daß wir ihn entdecken.«
»Oder vor allem den Afrikaner, der neben ihm saß«, sagte Martinsson zerstreut.
»Sicher gibt es eine einleuchtende Erklärung. Ich will ja nicht behaupten, daß Wallander etwas tut, was er nicht tun darf.«
»Natürlich nicht. Aber es ist gut, daß du es mir erzählt hast.«
»Ich will ja auch keine Gerüchte und kein Geschwätz verbreiten.«
»Das hier ist kein Geschwätz«, antwortete Martinsson.
»Norén ist ganz schön wütend geworden.«
»Er darf nichts erfahren.«
Sie trennten sich vor Martinssons Haus. Peters versprach dem Kollegen, er könne einen Welpen kaufen, wenn es soweit sei.
Martinsson überlegte, ob er Wallander anrufen sollte. Dann entschloß er sich, erst am nächsten Tag mit ihm zu sprechen. Mit einem Seufzer beugte er sich über die langweiligen politischen Dokumente.
|305| Als Wallander am nächsten Tag im Polizeigebäude ankam, kurz vor acht Uhr morgens, hatte er eine Antwort parat auf die Frage, die man ihm stellen würde. Am Tag zuvor, nachdem er sich nach langem Zögern entschlossen hatte, Victor Mabasha mit auf eine Autofahrt zu nehmen, hatte er das Risiko, einem Bekannten oder jemandem von der Polizei zu begegnen, als gering eingeschätzt. Er hatte Straßen gewählt, die selten von Streifenwagen befahren wurden. Aber natürlich war er auf Peters und Norén gestoßen. Er hatte sie so spät bemerkt, daß er Victor Mabasha nicht mehr Bescheid sagen konnte, sich zu ducken. Auch ein Abbiegen war nicht mehr möglich. Aus den Augenwinkeln hatte er gesehen, daß Peters und Norén der Mann an seiner Seite nicht entgangen war. Sie würden selbstverständlich eine Erklärung von ihm verlangen.
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