Wallander 03 - Die weisse Löwin
darauf hinweisen, daß es keinesfalls verboten ist, Handschellen im Haus zu haben. Man benötigt keine Lizenz. Natürlich darf man nicht einfach Leute fesseln, wie man will.«
»Glauben Sie, daß ich die Unwahrheit sage?« fragte Robert Åkerblom.
»Ich glaube gar nichts«, entgegnete Wallander. »Ich will nur wissen, warum diese Handschellen in einem Schreibtisch versteckt sind.«
»Ich habe bereits gesagt, daß ich nicht verstehe, wie sie in dieses Haus gekommen sind.«
Wallander nickte. Es hatte keinen Sinn, hier weiter nachzuhaken. Jedenfalls nicht jetzt. Aber Wallander war sicher, daß er gelogen hatte. War es möglich, daß sich hinter dieser Ehe ein abnormes |77| und vielleicht dramatisches Sexualleben verbarg? Konnte dieses wiederum Louise Åkerbloms Verschwinden erklären?
Wallander schob die Teetasse von sich, zum Zeichen, daß das Gespräch beendet war. Die Handschellen steckte er wieder in die Tasche, eingewickelt in ein Taschentuch. Eine technische Untersuchung konnte vielleicht mehr darüber aussagen, wozu sie benutzt worden waren.
»Das war’s erst mal«, sagte Wallander und erhob sich. »Ich lass’ von mir hören, sobald ich etwas weiß. Und Sie sollten darauf gefaßt sein, daß es bereits heute abend rundgehen wird, wenn die Abendzeitungen erschienen sind und der Lokalsender seine Nachrichten bringt. Aber wir erhoffen uns natürlich Hilfe.«
Robert Åkerblom nickte, ohne zu antworten.
Wallander drückte ihm die Hand und ging hinaus zu seinem Wagen. Das Wetter schien sich zu ändern. Es nieselte, und der Wind war abgeflaut.
Wallander fuhr hinunter zu Fridolfs Konditorei am Busbahnhof, aß ein paar belegte Brote und trank Kaffee. Es war bereits halb eins, als er wieder im Auto saß, auf dem Weg zur Brandstelle. Er hielt und kletterte über die Absperrung. Haus und Nebengebäude waren rauchende Ruinen. Es war jedoch noch zu früh für die Polizeitechniker, ihre Arbeit aufzunehmen. Wallander trat näher an den Brandherd heran und sprach mit Peter Edler, dem Leiter der Brandbekämpfung, den er gut kannte.
»Wir tränken mit Wasser«, sagte er. »Viel mehr können wir nicht tun. War es Brandstiftung?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Wallander. »Hast du Svedberg gesehen, oder Martinsson?«
»Ich glaube, die sind essen gefahren«, sagte Edler. »In Rydsgård. Und der Oberstleutnant hat sich seine durchweichten Rekruten geschnappt und ist zum Regiment abgezogen. Aber sie kommen wieder.«
Wallander nickte und ging weiter.
Ein paar Meter entfernt stand ein Polizist mit einem Diensthund. Der Polizist kaute an einer mitgebrachten Stulle, während der Hund eifrig in dem feuchten und rußigen Kies scharrte.
|78| Plötzlich begann der Hund zu jaulen. Der Polizist zog ein paarmal unwirsch an der Leine und schaute dann nach, was der Hund ausgegraben hatte.
Wallander sah, wie der Mann zusammenzuckte und die Stulle fallen ließ.
Wallander wurde neugierig und trat näher. »Was hat der Hund denn gefunden?«
Der Polizist wandte sich Wallander zu. Er war leichenblaß und zitterte.
Wallander beugte sich herunter.
Vor ihm im Matsch lag ein Finger.
Ein schwarzer Finger. Kein Daumen und kein kleiner Finger. Aber der Finger eines Menschen.
Wallander spürte, wie ihm schlecht wurde.
Er wies den Polizisten mit dem Hund an, Svedberg und Martinsson zu benachrichtigen.
»Sie sollen sofort kommen«, sagte er. »Auch wenn sie mitten beim Essen sind. Auf dem Rücksitz meines Wagens liegt eine leere Plastiktüte. Hol sie her.« Der Polizist ging.
Was ist nur los? dachte Wallander. Ein schwarzer Finger. Der Finger eines schwarzen Menschen. Abgehackt. Mitten in Schonen.
Als der Polizist mit der Plastiktüte zurückkam, bastelte Wallander einen provisorischen Regenschutz für den Finger. Das Gerücht hatte sich verbreitet, und die Feuerwehrleute versammelten sich um den Fund.
»Wir müssen in den Ruinen nach Leichenteilen suchen«, sagte Wallander zum Leiter des Löschzuges. »Gott weiß, was hier geschehen ist.«
»Ein Finger«, stammelte Peter Edler ungläubig.
Zwanzig Minuten später kamen Svedberg und Martinsson und liefen zum Fundort. Verständnislos und schaudernd betrachteten sie gemeinsam den schwarzen Finger.
Keiner hatte etwas zu sagen.
Schließlich brach Wallander das Schweigen. »Eines ist sicher«, sagte er. »Das ist kein Finger, der zu Louise Åkerblom gehört.«
|79| 5
Punkt fünf Uhr waren sie in einem der Konferenzzimmer im Polizeigebäude versammelt. Wallander konnte sich nicht
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