Wallander 03 - Die weisse Löwin
Auffassungen sie vertritt.«
»Das muß untersucht werden«, sagte Björk. »Welche Vorstellungen habt ihr, wie wir weiter vorgehen werden?«
»Wir können nur auf morgen hoffen«, meinte Martinsson. »Daß Leute aus der Bevölkerung anfangen anzurufen.«
»Ich habe schon Mitarbeiter eingeteilt, die die Telefonanrufe entgegennehmen«, sagte Björk. »Können wir noch etwas tun?«
»Wir haben etwas, womit wir arbeiten können«, sagte Wallander. »Wir haben einen Finger. Das bedeutet, daß es irgendwo einen schwarzen Mann gibt, dem an der linken Hand ein Finger fehlt. Außerdem braucht er die Hilfe eines Arztes oder Krankenhauses. Wenn es nicht bereits geschehen ist, so wird er früher oder später auftauchen. Wir können ebensowenig ausschließen, daß er Kontakt zur Polizei aufnimmt. Niemand schlägt sich selbst einen Finger ab. Zumindest geschieht das äußerst selten. Jemand hat ihm also Gewalt angetan. Natürlich können wir auch nicht ausschließen, daß er das Land bereits verlassen hat.«
»Fingerabdrücke«, sagte Svedberg. »Ich weiß nicht, wie viele Afrikaner sich in diesem Land aufhalten, legal oder illegal. Aber die Möglichkeit besteht, daß der Abdruck in einem unserer Register gespeichert ist. Außerdem können wir eine Anfrage an Interpol hinausschicken. Soviel ich weiß, haben viele afrikanische |82| Staaten in den letzten Jahren brauchbare Kriminalregister aufgebaut. Vor ein paar Monaten stand ein Artikel darüber in
Svensk Polis
. Ich glaube, Kurt hat recht. Auch wenn wir keinen Zusammenhang zwischen Louise Åkerblom und dem Finger erkennen können, müssen wir die Möglichkeit doch im Auge behalten.«
»Sollen wir das Ganze der Presse mitteilen?« fragte Björk. »Das gäbe doch herrliche Schlagzeilen: Wem gehört der Finger?«
»Warum nicht?« meinte Wallander. »Wir können dadurch nichts verlieren.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Björk. »Laßt uns abwarten. Aber ich bin einverstanden, daß wir die Krankenhäuser landesweit benachrichtigen. Ärzte haben doch wohl auch eine Pflicht zur Anzeige im Falle des Verdachts, eine Verletzung könnte durch eine verbrecherische Handlung verursacht worden sein?«
»Sie unterliegen ebenso der Schweigepflicht«, sagte Svedberg. »Aber natürlich müssen die Krankenhäuser informiert werden. Kliniken, alles, was wir haben. Weiß jemand, wie viele Ärzte es in diesem Land gibt?«
Keiner wußte es.
»Bitte Ebba, sich darum zu kümmern«, sagte Wallander.
Ebba brauchte zehn Minuten, um den Sekretär des Schwedischen Ärzteverbandes zu erreichen.
»Es gibt gut fünfundzwanzigtausend Ärzte in Schweden«, teilte Wallander mit, als Ebba die Information weitergegeben hatte.
Sie schauten sich betroffen an.
Fünfundzwanzigtausend Ärzte.
»Wo sind die nur alle, wenn man sie mal braucht?« fragte Martinsson.
Björk begann ungeduldig zu werden. »Gibt es noch etwas? Wenn nicht, so haben wir alle viel zu tun. Morgen früh um acht treffen wir uns wieder.«
»Ich werde die Sache in die Hand nehmen«, sagte Martinsson.
Sie hatten gerade ihre Unterlagen genommen und waren aufgestanden, |83| als das Telefon klingelte. Martinsson und Wallander waren schon draußen auf dem Flur, als Björk sie zurückrief.
»Durchbruch«, keuchte er, hochrot im Gesicht. »Sie glauben, sie haben das Auto gefunden. Es war Norén, der angerufen hat. Ein Bauer ist an der Brandstelle aufgetaucht und hat gefragt, ob die Polizei an etwas interessiert sei, was er in einem Tümpel in einigen Kilometern Entfernung entdeckt habe. In Richtung Sjöbo, hat er, glaube ich, gesagt. Norén fuhr hin und sah eine Radioantenne aus dem Sumpf ragen. Der Bauer namens Antonson war sicher, daß das Auto vor einer Woche noch nicht da war.«
»Das Auto muß heute abend noch geborgen werden«, sagte Wallander. »Wir können nicht bis morgen warten. Wir müssen Scheinwerfer und Kranwagen anfordern.«
»Ich hoffe, daß wir keinen Toten finden«, sagte Svedberg.
»Das werden wir bald wissen«, sagte Wallander. »Komm jetzt.«
Der Tümpel lag nördlich von Krageholm, an der Straße nach Sjöbo, unzugänglich neben einem kleinen Gehölz. Es dauerte über drei Stunden, bis Scheinwerfer und Kranwagen an Ort und Stelle waren. Um halb zehn war es ihnen endlich gelungen, ein Drahtseil am Auto zu befestigen. Wallander war dabei ausgerutscht und im Wasser gelandet. Norén lieh ihm einen Overall, den er im Auto hatte. Wallander merkte kaum, daß er durchnäßt war und zu frieren begann.
Seine
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