Wallander 03 - Die weisse Löwin
Hörby und Ystad. Dort gab es einige abgelegene Höfe, wo er vielleicht in Ruhe arbeiten konnte.
Gleich hinter Krageholm, an einer kleinen Straße, die sich durch einen Wald schlängelte und in Sövde endete, fand er seine erste Pumpe. Es war ein halbverfallener Hof, vor Blicken gut geschützt. Die Pumpe war rostig, aber ganz. Er begann, sie mit einem Brecheisen zu lösen. Doch nicht die Befestigungen der Pumpe gaben nach, sondern das ganze verrottete Fundament. Er |98| legte die Brechstange zur Seite und versuchte, die Pumpe von den morschen Brettern loszubrechen. Vielleicht war es doch nicht ganz unmöglich, Morell vier Pumpen zu verschaffen. Noch drei Höfe, und er konnte am frühen Nachmittag wieder in Malmö sein. Es war ja erst zehn Minuten nach acht. Vielleicht würde er am Abend doch noch nach Kopenhagen fahren.
Dann brach er die rostige Pumpe los.
Gleichzeitig brach das Bretterfundament zusammen.
Er warf einen Blick in den Brunnen.
Dort unten im Dunkeln lag etwas. Etwas Hellgelbes.
Dann sah er mit Entsetzen, daß es ein Menschenkopf mit blondem Haar war.
Im Brunnen lag eine Frau.
Ein zusammengepreßter, verrenkter Körper.
Er ließ die Pumpe los und rannte davon. Mit heulendem Motor raste er die schmale Straße entlang. Kurz vor Sövde hielt er an, öffnete die Tür des Wagens und erbrach sich.
Dann versuchte er nachzudenken. Er wußte, daß es keine Einbildung gewesen war. Dort im Brunnen hatte eine Frau gelegen.
Eine Frau, die in einem Brunnen liegt, ist bestimmt ermordet worden, dachte er. Da wurde ihm klar, daß er auf der Pumpe seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte.
Und seine Fingerabdrücke waren im Archiv registriert.
Morell, dachte er verwirrt. Das muß Morell in Ordnung bringen.
Er fuhr durch Sövde, viel zu schnell, und bog dann in Richtung Süden nach Ystad ab. Er würde nach Malmö zurückfahren und Morell die Angelegenheit überlassen. Der Mann, der nach Spanien fahren wollte, mußte ohne seine Pumpen reisen.
Ungefähr an der Abfahrt zur Müllkippe von Ystad war die Autofahrt zu Ende. Als er sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzünden wollte, kam er ins Schleudern. Es gelang ihm nur schlecht, das Auto wieder in seine Gewalt zu bringen. Der Wagen trudelte in einen Zaun, demolierte eine Reihe von Briefkästen und kam dann zum Stehen. Peter Hanson hatte den Sicherheitsgurt angelegt und wurde deshalb nicht durch die Frontscheibe geschleudert. Der Aufprall machte ihn dennoch benommen, so |99| daß er unter Schock hinter dem Lenkrad sitzen blieb. Ein Mann, der in seinem Garten den Rasen mähte, hatte beobachtet, was passiert war. Er rannte erst über die Straße, um sich zu vergewissern, daß niemand schwer verletzt worden war. Dann eilte er zu seinem Haus zurück, rief die Polizei an und stellte sich dann neben den Wagen, um zu verhindern, daß der Mann am Steuer fliehen konnte. Der muß völlig besoffen sein, dachte er. Wie kann man sonst auf einer geraden Strecke die Gewalt über sein Fahrzeug verlieren?
Nach einer Viertelstunde kam ein Streifenwagen aus Ystad. Peters und Norén, zwei der erfahrensten Polizisten aus dem Bezirk, hatten den Anruf entgegengenommen. Als sie sicher waren, daß keiner zu Schaden gekommen war, begann Peters, den Verkehr an der Unglücksstelle vorbeizuleiten, während Norén sich mit Peter Hanson auf den Rücksitz des Streifenwagens setzte, um herauszufinden, was eigentlich geschehen war. Norén ließ ihn ins Röhrchen blasen, aber es zeigte nichts an. Der Mann wirkte total verwirrt und überhaupt nicht daran interessiert zu erklären, wie es zu dem Unfall gekommen war. Norén fing an zu glauben, daß er einen Geisteskranken vor sich hatte. Der Mann erzählte unzusammenhängend wirres Zeug über Wasserpumpen, einen Hehler in Malmö und einen einsamen Hof mit Brunnen.
»Da liegt eine Frau im Brunnen«, behauptete er.
»Aha«, sagte Norén. »Eine Frau in einem Brunnen?«
»Sie ist tot«, murmelte Peter Hanson.
Plötzlich fühlte Norén, wie Unbehagen ihn beschlich. Was versuchte der Mann ihm zu sagen? Daß er im Brunnen eines einsamen Hauses eine tote Frau gesehen hatte?
Norén wies den Mann an, im Auto sitzen zu bleiben. Dann eilte er zu Peters, der am Straßenrand stand und Autofahrer vorbeiwinkte, die neugierig bremsten und anhalten wollten.
»Er behauptet, eine tote Frau in einem Brunnen gesehen zu haben«, sagte Norén. »Mit blonden Haaren.«
Peters ließ die Arme sinken. »Louise Åkerblom?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß ja
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