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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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will.«
    »Steht alles in dem Kuvert«, wiederholte Stewart.
    Victor streckte die Hand aus und nahm das braune Kuvert entgegen. Er fühlte das Bündel Geldscheine sofort. Es war beruhigend |133| und beunruhigend zugleich. Er brauchte Geld. Aber er wußte nicht, wofür er es bekam. Das machte ihn unsicher. Er wollte nicht in etwas hineingezogen werden, von dem er allzuwenig wußte.
    Stewart wischte sich das Gesicht und den kahlen Scheitel mit einem schweißgetränkten Taschentuch. »Da ist eine Karte. Der Treffpunkt ist eingezeichnet. In der Nähe von Soweto. Du kennst die Gegend noch?«
    »Alles verändert sich«, erwiderte Victor. »Ich weiß, wie es vor acht Jahren in Soweto ausgesehen hat. Aber ich habe keine Ahnung, was da heute los ist.«
    »Es ist nicht drinnen in Soweto. Der Treffpunkt ist eine Abfahrt an der Autobahn nach Johannesburg. Da hat sich nichts verändert. Du mußt morgen früh zeitig losfahren, wenn du pünktlich sein willst.«
    »Wer will mich treffen?« fragte Victor noch einmal.
    »Er zieht es vor, seinen Namen nicht zu nennen«, sagte Stewart. »Du triffst ihn morgen.«
    Victor schüttelte langsam den Kopf und reichte das Kuvert zurück.
    »Ich will einen Namen«, sagte er noch einmal. »Wenn ich keinen Namen bekomme, werde ich zu der Zeit nicht am Treffpunkt sein. Ich werde niemals dort sein.«
    Der Mann, der sich Stewart nannte, zögerte. Victor betrachtete ihn mit unruhigen Augen. Nach einer langen Pause schien Stewart begriffen zu haben, daß Victor es ernst meinte. Er sah sich um. Die spielenden Kinder waren verschwunden. Bis zu Victors nächsten Nachbarn waren es ungefähr fünfzig Meter. Sie wohnten wie er in einer elenden Wellblechhütte. Im wirbelnden Staub vor der Tür mahlte eine Frau Korn. Ein paar Ziegen suchten auf der vertrockneten roten Erde nach Grashalmen.
    »Jan Kleyn«, sagte er mit leiser Stimme. »Jan Kleyn will dich treffen. Vergiß, daß ich dir das gesagt habe. Aber du mußt pünktlich sein.«
    Dann drehte er sich um und ging zu seinem Wagen zurück. Victor sah ihn in einer Staubwolke verschwinden. Er fuhr viel zu |134| schnell. Victor dachte, daß das der typische weiße Mann war, der sich unsicher und hilflos fühlte, wenn er die Wohngebiete der Schwarzen besuchte. Für Stewart war es, als betrete er feindliches Territorium. Und so war es ja auch.
    Er lächelte bei dem Gedanken.
    Weiße Menschen waren ängstliche Menschen.
    Dann wunderte er sich, wie Jan Kleyn sich herablassen konnte, einen solchen Boten zu beschäftigen.
    Oder war es eine weitere Lüge Stewarts? Hatte Jan Kleyn ihn überhaupt nicht geschickt? Vielleicht war es jemand anders gewesen?
    Die Kinder, die mit der Radkappe spielten, waren wieder da. Er ging in die Hütte, knipste die Halogenlampe an, setzte sich auf das zerwühlte Bett und riß langsam das Kuvert auf.
    Aus alter Gewohnheit öffnete er es auf der Unterseite. Die Zünder von Briefbomben waren fast immer an der Oberseite der Umschläge befestigt. Wenige Menschen rechneten damit, eine Bombe mit der Post zu bekommen, und dachten daran.
    Das Kuvert enthielt eine Karte, sorgfältig mit schwarzer Tusche von Hand gezeichnet. Ein rotes Kreuz markierte den Treffpunkt. Er konnte die Stelle vor sich sehen. Sie war nicht zu verfehlen. Außer der Karte fand sich ein Bündel Scheine in dem Umschlag, alles rote Fünfzig-Rand-Noten. Ohne zu zählen wußte Victor, daß es hundert Scheine waren.
    Das war alles. Es gab keinen Hinweis darauf, warum Jan Kleyn ihn treffen wollte.
    Victor legte das Kuvert auf den Boden und streckte sich auf dem Bett aus. Er merkte, daß das Laken schimmelig roch. Eine Mücke surrte über seinem Gesicht. Er drehte den Kopf und starrte in die Halogenlampe.
    Jan Kleyn, dachte er. Jan Kleyn will mich treffen. Es ist jetzt zwei Jahre her. Damals sagte er, daß wir niemals mehr miteinander zu tun haben würden. Aber nun will er mich doch wieder treffen. Warum?
    Er setzte sich im Bett auf und blickte auf seine Armbanduhr. Wenn er am nächsten Tag in Soweto sein wollte, mußte er noch heute abend mit dem Bus abreisen. Stewart hatte sich geirrt. Er |135| konnte nicht bis morgen früh warten. Es waren fast neunhundert Kilometer bis Johannesburg.
    Er mußte sich nicht mehr entscheiden. Das hatte er getan, indem er das Geld entgegennahm. Jetzt mußte er fahren. Er hatte keine Lust, Jan Kleyn fünftausend Rand zu schulden. Das hieße, ein Kopfgeld auf sich selbst auszusetzen. Soweit er wußte, war noch niemand Jan Kleyn etwas schuldig

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