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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Wallander ein. »Er ist also zum erstenmal in Aktion.«
    |278| »Das bestärkt mich in der Auffassung, daß er im Grunde ein sehr normales Leben führt«, sagte Ekholm. »Das psychotische Ich, der mentale Zusammenbruch, sind gut gegen Einsicht von außen geschützt. Er kann sich mit den Skalpen in der Tasche an den Tisch setzen und mit gutem Appetit zu Abend essen. Wenn du mein Bild richtig auslegst.«
    Wallander glaubte zu verstehen. »Es gibt mit anderen Worten nur zwei Möglichkeiten, wie wir ihn fassen können. Entweder wir erwischen ihn auf frischer Tat. Oder wir haben Beweise, die so klar sind, als leuchte sein Name in Feuerschrift darüber.«
    »Ungefähr so. Ihr habt also keine leichte Aufgabe.«
    Als Ekholm gehen wollte, stellte Wallander seine letzte Frage. »Wird er wieder zuschlagen?«
    »Es kann zu Ende sein«, sagte Ekholm, »Björn Fredman und seine Augen als Schlußpunkt.«
    »Glaubst du das?«
    »Nein. Er wird wieder zuschlagen. Was wir bis jetzt gesehen haben, ist wohl nur der Anfang einer sehr langen Kette.«
    Als Wallander wieder allein war, scheuchte er die Biene mit seiner Jacke aus dem Fenster. Dann saß er vollkommen still mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl und durchdachte alles, was Ekholm gesagt hatte. Um vier Uhr stand er auf und holte sich frischen Kaffee. Dann ging er weiter zum Konferenzraum, wo die anderen schon auf ihn warteten.
    Er bat Ekholm zu wiederholen, was er selbst bereits gehört hatte. Danach war es lange still. Wallander hatte das Schweigen nicht unterbrochen, weil er wußte, daß alle versuchten, sich die Bedeutung des Gehörten klarzumachen. Jeder einzelne wägte es gegen die eigene Meinung ab. Danach können wir herausfinden, wie unser gemeinsamer Standpunkt eigentlich aussieht, dachte Wallander.
    Sie stimmten mit Ekholm überein. Sie würden sich auf Björn Fredmans Leben konzentrieren. Aber gleichzeitig nicht vergessen zurückzublicken, über die Schultern.
    Sie beschlossen die Sitzung mit der Planung der nächsten Schritte ihrer Ermittlung.
    Kurz nach sechs brachen sie auf. Martinsson verließ als einziger |279| das Präsidium. Er mußte seine Kinder abholen. Die anderen kehrten zu ihrer Arbeit zurück.
    Wallander trat ans Fenster und blickte in den Sommerabend hinaus.
    Irgend etwas bereitete ihm weiterhin Unruhe.
    Der Gedanke, trotz allem auf der falschen Fährte zu sein.
    Was sah er nicht?
    Er wandte sich vom Fenster ab und blickte sich im Zimmer um, als sei ein unsichtbarer Besucher eingetreten.
    Das ist es, dachte er. Ich jage ein Gespenst. Statt nach einem lebenden Menschen zu suchen. Der vielleicht in einer anderen Richtung zu finden ist als der, in die ich gerade blicke.
    Bis Mitternacht blieb er über seinen Papieren sitzen.
    Erst als er das Präsidium verließ, fiel ihm der Haufen Schmutzwäsche auf seinem Fußboden wieder ein.

|280| 24
    Im Morgengrauen des folgenden Tages ging Wallander noch halb im Schlaf hinunter in die Waschküche und entdeckte zu seiner Verwunderung, daß schon jemand vor ihm dagewesen war. Die Waschmaschine lief bereits, und er mußte sich damit begnügen, sich für eine freie Zeit am Nachmittag einzutragen. Die ganze Zeit versuchte er, einen Traum festzuhalten, den er während der Nacht geträumt hatte. Es war ein erotischer Traum gewesen, voller heftiger Begierde, in dem Wallander sich selbst aus der Distanz beobachtet hatte, als Akteur in einem Drama, wie er es in wachem Zustand auch nicht im entferntesten erlebt hatte. Es war nicht Baiba gewesen, die in seinen Traum eintrat, als öffne sie die Tür zu seinem Schlafzimmer. Erst auf dem Weg von der Waschküche hinauf in seine Wohnung kam er darauf, daß die Frau in seinem Traum an die Pastorin erinnerte, die er auf dem Gemeindeamt in Smedstorp getroffen hatte. Er war zuerst erstaunt, danach empfand er ein vages Gefühl von Beschämung über diesen Traum, der später, als er in seine Wohnung zurückgekehrt war, wieder zu dem wurde, was er eigentlich war: ein Traum, der nach seinen eigenen Gesetzen entstand und wieder verflog. Er setzte sich an den Küchentisch und trank Kaffee, den er schon vorher gemacht hatte. Durch das halb geöffnete Fenster spürte er die Wärme. Vielleicht hatte Ann-Britt Höglunds Großmutter richtig vorhergesagt, und sie bekamen einen wirklich schönen Sommer. Die Uhr zeigte ein paar Minuten nach sechs. Er dachte an seinen Vater. Oft, besonders frühmorgens, wanderten seine Gedanken zurück in die Vergangenheit, in die Zeit der Seidenritter, als sie noch

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