Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
»Gewöhnliche Menschen«, fuhr Hansson resigniert fort. »Nach außen ganz normal. Darunter geisteskranke Raubtiere. Ein Mann in Frankreich, Verwalter eines Kohlenlagers, pflegte seinen Opfern die Mägen aufzuschneiden und den Kopf hineinzustecken, um sich selbst zu ersticken. Nur als ein Beispiel.«
    »Das reicht mir«, sagte Wallander abwehrend.
    »Ekholm meinte, ich sollte dir das Buch geben, wenn ich es durchhabe«, sagte Hansson.
    »Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Wallander. »Aber ich bezweifle, ob ich Zeit habe, es zu lesen. Oder Lust.«
    Im Eßraum schmierte Wallander sich ein Brot und nahm es mit, als er das Präsidium verließ. Er aß im Wagen, während er überlegte, ob er es wagen sollte, Linda so früh schon anzurufen. Aber er ließ es sein.
     
    Er erreichte Malmö gegen halb neun. Schon jetzt hatte sich die Sommerflaute über das Land gelegt. Der Verkehr auf den Autobahnen, die sich vor der Einfahrt nach Malmö kreuzten, war ruhiger als gewöhnlich. Er bog nach Rosengård ab und hielt vor dem Haus, in dem er am Tag zuvor schon gewesen war. Er stellte den Motor ab und blieb im Wagen sitzen, um sich noch einmal klarzumachen, weshalb er jetzt schon wieder hierhergekommen war. Sie hatten beschlossen, die Ermittlungen auf Björn Fredmans Leben auszurichten. So weit kannte er sein Motiv. Außerdem war es erforderlich, mit der Tochter zu sprechen. Der vierjährige Junge war weniger wichtig. Er holte eine schmutzige Benzinquittung aus dem Handschuhfach und zog seinen Tintenkuli hervor. Zu seiner großen Verärgerung stellte er fest, daß die Tinte ausgelaufen war. Der Flecken um die Brusttasche, in der der Kuli gesteckt hatte, war fast handflächengroß. Auf dem weißen Hemd sah es aus, als sei er mitten ins Herz geschossen worden. Das Hemd war fast neu. Baiba hatte es ihm letzte Weihnachten gekauft, als sie seinen Kleiderschrank durchforstet und alte und verschlissene Sachen aussortiert hatte.
    Sein erster Impuls war, sich in sein Schicksal zu ergeben, nach Ystad zurückzufahren und sich ins Bett zu legen. Wie viele Hemden |284| pro Jahr er fortwarf, weil er vergaß, die Mine des Kulis zu versenken, ehe er ihn in die Brusttasche steckte, wußte er nicht.
    Er überlegte, ob er in die Stadt fahren und ein neues Hemd kaufen sollte. Aber es würde mindestens eine Stunde dauern, bis die Läden öffneten. Er ließ es bleiben. Den verschmierten Kuli warf er aus dem Seitenfenster und suchte zwischen dem Krempel im Handschuhfach einen anderen. Auf der Rückseite der Benzinquittung notierte er danach ein paar Stichworte.
B.   F.s Freunde. Früher und heute. Unerwartete Ereignisse.
Er zerknüllte den Zettel und wollte ihn in die Brusttasche stecken, bremste sich aber gerade noch rechtzeitig. Er stieg aus dem Wagen und zog die Jacke aus. Das Jackenfutter war nicht verfärbt. Düster musterte er sein Hemd. Dann ging er ins Haus und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Die Flaschenscherben vom Vortag lagen noch immer im Fahrstuhl. Er fuhr in den dritten Stock hinauf und klingelte an der Wohnungstür. Von drinnen kamen keine Geräusche. Vielleicht schliefen sie noch. Er wartete über eine Minute. Dann klingelte er noch einmal. Die Tür wurde geöffnet. Es war der Junge, der Stefan hieß. Er schien überrascht zu sein, Wallander zu sehen. Aber er lächelte. Die Augen waren wachsam.
    »Ich hoffe, ich komme nicht zu früh«, sagte Wallander. »Ich hätte natürlich vorher anrufen sollen. Aber ich hatte hier in Malmö etwas zu erledigen und dachte, ich nutze die Gelegenheit.«
    Eine schlechte Lüge, dachte er. Aber naheliegend.
    Der Junge ließ ihn in den Flur. Er trug ein abgeschnittenes Unterhemd und Jeans. Er war barfuß. »Ich bin allein zu Hause«, sagte er. »Meine Mutter ist mit meinem kleinen Bruder nach Kopenhagen gefahren.«
    »Ein schöner Tag für eine Fahrt nach Kopenhagen«, erwiderte Wallander einschmeichelnd.
    »Ja, dahin fährt sie gern. Um von allem fortzukommen.«
    Seine Worte hallten hohl im Flur wider. Wallander fand es eigentümlich, wie unberührt der Junge den Tod seines Vaters erwähnte. Sie waren ins Wohnzimmer gekommen, Wallander legte die Jacke über einen Stuhl und zeigte auf den Tintenfleck. »Das passiert mir immer wieder«, sagte er.
    |285| »Das passiert mir nie«, sagte der Junge und lächelte. »Ich kann Kaffee machen, wenn Sie möchten.«
    »Nein, danke.«
    Sie setzten sich an den Tisch einander gegenüber. Eine Wolldecke und ein Kissen auf dem Sofa verrieten, daß dort jemand

Weitere Kostenlose Bücher