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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wenigen Minuten erkannte er, daß die beiden einen hintergründigen Text geschaffen hatten, der mit drastischem Humor ein kritisches Doppelbild von Schweden entwarf. Manchmal blieben sie stecken, manchmal spürte man Unsicherheit. Aber sie glaubten an das, was sie taten, und das machte ihn froh. Als das Stück zu Ende war und sie ihn nach seiner Meinung fragten, sagte er genau das, was er fühlte: Er sei überrascht, wie lustig es gewesen war und daß es gleichzeitig zum Nachdenken anregte. Linda beobachtete ihn genau, ob er auch die Wahrheit sagte. Als sie sah, daß er wirklich meinte, was er sagte, freute sie sich riesig. Sie brachte ihn auf die Straße, als er gehen wollte.
    »Ich habe gar nicht gewußt, daß du so etwas kannst«, sagte er. »Ich dachte, du wolltest Dekorateurin werden.«
    »Es ist noch nicht zu spät«, erwiderte sie. »Laß es mich versuchen.«
    »Natürlich sollst du es versuchen«, sagte er. »Wenn man jung ist, hat man Zeit im Überfluß. Nicht, wenn man ein alter Polizist ist wie ich.«
    Sie wollten noch ein paar Stunden proben. Er würde zu Hause auf sie warten.
    Es war ein schöner Sommerabend. Langsam schlenderte er zur Mariagatan, noch ganz erfüllt von dem, was er gesehen hatte. Abwesend |329| nahm er die hupenden Autos zur Kenntnis, die an ihm vorüberfuhren, bis er begriff, daß Schweden gewonnen hatte. Er fragte einen Passanten, der ihm entgegenkam, wie es ausgegangen war. Schweden hatte 3:1 gewonnen. Er mußte laut lachen. Dann kehrten seine Gedanken wieder zu seiner Tochter zurück. Er fragte sich, was er eigentlich von ihr wußte. Er hatte sie noch gar nicht gefragt, ob sie zur Zeit einen Freund hatte.
    Um halb zehn öffnete er die Tür zu seiner Wohnung. Im selben Moment klingelte das Telefon. Sofort verkrampfte sich sein Magen. Als er abnahm und Gertrudes Stimme hörte, wurde er ruhiger. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Gertrud war erregt. Zuerst konnte er kaum verstehen, was sie sagte. Er bat sie, sich zu beruhigen.
    »Du mußt unbedingt herkommen«, sagte sie. »Sofort.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Ich weiß nicht. Aber dein Vater verbrennt all seine Bilder. Er verbrennt alles, was im Atelier steht. Und die Tür hat er abgeschlossen. Du mußt kommen.«
    Sie legte den Hörer auf, damit er keine Fragen mehr stellen konnte, sondern sich sofort in sein Auto setzte und losfuhr.
    Er starrte auf das Telefon.
    Dann schrieb er hastig eine Nachricht für Linda und legte sie auf die Fußmatte.
    Ein paar Minuten später war er auf dem Weg nach Löderup.

|330| 28
    In dieser Nacht blieb Wallander bei seinem Vater in Löderup. Als er nach einer Fahrt voller schlimmer Befürchtungen den kleinen Hof erreichte, kam Gertrud ihm vor dem Haus entgegen. Er sah, daß sie geweint hatte, obwohl sie inzwischen wieder gefaßt wirkte und seine Fragen ruhig beantwortete. Der Zusammenbruch seines Vaters, wenn es sich denn wirklich darum handelte, war völlig unerwartet gekommen. Sie hatten zu Abend gegessen, und alles hatte normal gewirkt. Sie hatten nichts getrunken. Nach dem Essen war er wie gewöhnlich in den umgebauten Stall hinausgegangen, um weiterzumalen. Plötzlich hatte sie Lärm gehört. Als sie auf die Haustreppe getreten war, sah sie, wie der Vater ein paar leere Farbdosen auf den Hof warf. Zuerst hatte sie gedacht, er räume sein chaotisches Atelier auf. Doch als er anfing, leere Rahmen hinauszuwerfen, reagierte sie. Als sie zu ihm trat und fragte, was er da tue, antwortete er nicht. Er machte auf sie den Eindruck, vollkommen abwesend zu sein, ohne zu hören, was sie sagte. Als sie ihn hinausführen wollte, riß er sich los und schloß sich ein. Durchs Fenster sah sie, wie er Feuer im Ofen machte, und als er anfing, seine Leinwände zu zerreißen und ins Feuer zu werfen, hatte sie Wallander angerufen. Während sie sprachen, waren sie über den Hofplatz gegangen. Wallander sah grauen Rauch aus dem Schornstein quellen. Er stellte sich ans Fenster und blickte ins Atelier. Sein Vater wirkte wild und wie von Sinnen. Sein Haar stand zu Berge, seine Brille schien er verloren zu haben, und das gesamte Atelier war nahezu verwüstet. Sein Vater tappte barfuß zwischen ausgelaufenen Farbdosen umher, Leinwände lagen zertrampelt auf dem Boden. Wallander meinte zu sehen, daß einer der Schuhe seines Vaters gerade im Ofen verbrannte. Sein Vater riß und zerrte an den Leinwänden und preßte die Fetzen in die Feuerluke. Wallander klopfte ans Fenster, doch sein Vater reagierte |331| nicht. Die Tür

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