Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
war abgeschlossen. Er hämmerte dagegen und rief, daß er es sei. Aber es kam keine Antwort. Das Gepolter ging weiter. Wallander blickte sich nach etwas um, womit er die Tür aufbrechen konnte. Aber er wußte, daß der Vater alle Werkzeuge und Geräte in dem Raum aufbewahrte, in dem er sich jetzt eingeschlossen hatte. Wallander betrachtete grimmig die Tür, die er selbst mit eingebaut hatte. Er zog seine Jacke aus und gab sie Gertrud. Dann nahm er Anlauf und warf sich mit der einen Schulter so fest gegen die Tür, wie er konnte. Der Türrahmen brach heraus, Wallander taumelte ins Innere und schlug mit dem Kopf an eine Schubkarre. Sein Vater warf ihm nur einen abwesenden Blick zu. Dann fuhr er fort in seinem Zerstörungswerk. Gertrud wollte hereinkommen, doch Wallander hob abwehrend die Hand. Er hatte seinen Vater schon einmal in diesem Zustand erlebt, in dieser eigentümlichen Mischung von Abwesenheit und manischer Verwirrung. Da war er nur im Schlafanzug mit einer Tasche in der Hand auf einem lehmigen Acker unterwegs gewesen. Wallander trat zu ihm, faßte ihn an den Schultern und begann, beruhigend auf ihn einzureden. Er fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei. Er sagte, die Bilder seien gut, die besten, die es gebe, und die Birkhähne seien schön getroffen. Alles sei in bester Ordnung. Jeder könne einmal durchdrehen. Jetzt würden sie mit dem sinnlosen Feuermachen aufhören, warum sollten sie mitten im Sommer heizen, und danach würden sie aufräumen und über ihre Reise nach Italien sprechen. Wallander redete ununterbrochen, er hielt die Schultern des Vaters mit festem Griff, nicht als wolle er ihn verhaften, sondern um ihn in der Wirklichkeit festzuhalten. Der Vater war ganz still geworden und sah ihn aus kurzsichtigen Augen an. Während Wallander weiter beruhigend auf ihn einredete, entdeckte er die Brille, zertreten auf dem Boden. Er fragte Gertrud, die im Hintergrund stand, ob der Vater eine Reservebrille habe. Sie lief ins Haus, um sie zu holen. Sie gab sie Wallander, der sie am Hemdärmel putzte und sie dann dem Vater auf die Nase setzte. Die ganze Zeit redete er beruhigend, wiederholte seine Worte, als spreche er die einzigen Worte eines Gebets, an die er sich erinnerte, und sein Vater betrachtete ihn zunächst unsicher und verwirrt, dann immer verwunderter, und schließlich hatte es |332| den Anschein, als sei er wieder zu sich gekommen. Wallander lockerte den Griff um die Schultern seines Vaters, der sich vorsichtig in dem Tohuwabohu umblickte.
    »Was ist passiert?« fragte er. Wallander verstand, daß er sich an nichts erinnerte. Was geschehen war, war eigentlich gar nicht gewesen. Er wußte von nichts mehr. Gertrud hatte angefangen zu weinen, doch Wallander sagte barsch, sie solle in die Küche gehen und Kaffee kochen. Sie würden gleich nachkommen.
    »Habe ich das hier angerichtet?« fragte sein Vater und sah Wallander mit unruhigen Augen an, als fürchte er die Antwort.
    »Jeder kann einmal alles satt bekommen«, entgegnete Wallander wie beiläufig. »Aber jetzt ist es vorbei. Das räumen wir schnell wieder auf.«
    Der Vater betrachtete die aufgebrochene Tür.
    »Wer braucht schon mitten im Sommer eine Tür«, sagte Wallander. »In Rom im September gibt es keine verschlossenen Türen. Du mußt dich jetzt schon daran gewöhnen.«
    Sein Vater ging langsam in den Trümmern umher, die sein Ausbruch, den weder er noch jemand anders erklären konnte, hinterlassen hatte. Wallander sah, daß er überhaupt nicht verstehen konnte, was geschehen war. Er konnte nicht begreifen, daß er selbst dies alles getan hatte. Wallander spürte einen Kloß im Hals. Er wußte nicht, wie er sich zu der Hilflosigkeit und Verlassenheit verhalten sollte, die sein Vater jetzt ausstrahlte. Er hob die herausgebrochene Tür auf und lehnte sie an die Stallwand. Dann machte er sich ans Aufräumen und stellte fest, daß viele Bilder seines Vaters trotz allem heil geblieben waren. Sein Vater hatte sich auf einen Schemel an seinen Arbeitstisch gesetzt und verfolgte Wallanders Bewegungen. Gertrud kam und sagte, der Kaffee sei fertig. Wallander nickte ihr zu, den Vater am Arm zu nehmen und ihn ins Haus zu führen. Dann beseitigte er das schlimmste Durcheinander. Bevor er ins Haus ging, rief er vom Auto aus in seiner Wohnung an. Linda war schon zu Hause. Sie wollte wissen, ob etwas passiert sei, seine hastig hingekritzelte Nachricht hatte sie kaum entziffern können. Da Wallander sie nicht beunruhigen wollte, sagte er nur, sein Vater habe

Weitere Kostenlose Bücher