Wallander 05 - Die falsche Fährte
Sjösten.
Wallander nickte. Sjöstens Kommentar war richtig. Er selbst hatte den Gedanken nur noch nicht so formuliert.
»In der Küche am Herd haben wir einen Fußabdruck gefunden«, sagte Sjösten.
»Also war er wieder barfuß«, stellte Wallander fest.
|354| »Barfuß?«
Wallander erzählte ihm von dem Fußabdruck in Björn Fredmans blutverschmiertem Wagen. Sjösten und seinen Kollegen mußte als erstes das gesamte Ermittlungsmaterial über die drei früheren Morde zugänglich gemacht werden.
Wallander untersuchte das Kellerfenster. Er meinte, schwache Kratzspuren an der Stelle erkennen zu können, wo ein Haken aus seiner Verankerung gerissen worden war. Als er sich bückte, fand er ihn, obwohl er auf dem dunklen Boden schwer zu sehen war. Er faßte ihn nicht an. »Es wirkt so, als sei er schon vorher losgemacht worden.«
»Du meinst, er hat sein Kommen vorbereitet?«
»Nicht undenkbar. Es paßt zu seinem bisherigen Vorgehen. Er überwacht seine Opfer. Späht sie aus. Warum und wie lange, wissen wir nicht. Unser verhaltenswissenschaftlicher Spezialist, Mats Ekholm, behauptet, das sei charakteristisch für Personen mit psychotischen Zügen.«
Sie gingen in einen angrenzenden Raum, in dem die Fenster von der gleichen Art waren. Die Fensterhaken waren intakt.
»Man sollte vielleicht vor dem anderen Fenster nach Fußabdrücken suchen«, sagte Wallander.
Dann bereute er, was er gesagt hatte. Er hatte keine Veranlassung, einem so erfahrenen Kriminalisten wie Waldemar Sjösten Ratschläge zu erteilen.
Sie kehrten in die Küche zurück. Liljegrens Körper wurde gerade fortgebracht.
»Ich habe die ganze Zeit nach dem Berührungspunkt gesucht«, sagte Wallander. »Zuerst zwischen Gustaf Wetterstedt und Arne Carlman. Den habe ich am Ende gefunden. Dann suchte ich den zwischen Björn Fredman und den beiden anderen. Den suchen wir noch immer. Dennoch bin ich überzeugt, daß er existiert. Jetzt, glaube ich, müssen wir ihn hier als erstes suchen. Ist es möglich, einen Zusammenhang zwischen Åke Liljegren und den drei anderen herzustellen? Am besten zwischen allen, zumindest aber zu einem von ihnen.«
»In gewisser Weise gibt es ja schon einen sehr klaren Berührungspunkt«, erwiderte Sjösten bedächtig.
|355| Wallander betrachtete ihn fragend.
»Ich meine, der Täter an sich ist ja ein identifizierbarer Berührungspunkt«, fuhr Sjösten fort. »Auch wenn wir nicht wissen, wer er ist.«
Sjösten wies mit einer Kopfbewegung zur Haustür, um anzudeuten, daß er ungestört mit Wallander sprechen wollte. Als sie in den Garten kamen, blinzelten sie in die Sonne. Sjösten zündete sich eine Zigarette an und zog Wallander zu einer Gruppe von Gartenstühlen, ein Stück vom Haus entfernt. Sie rückten die Stühle in den Schatten.
»Es sind viele Gerüchte über Åke Liljegren in Umlauf«, sagte Sjösten. »Seine Geschäfte mit Briefkastenfirmen sind wohl nur ein Teil seiner Aktivitäten. Wir hier in Helsingborg haben viele andere Dinge gehört. Niedrig fliegende Cessnas, die Kokainlasten abwerfen. Heroin, Marihuana. Ebenso schwer zu beweisen wie zu entkräften. Mir persönlich fällt es nicht leicht, diese Art von Gewerbe mit Liljegren zu verbinden. Aber das kann natürlich an meiner begrenzten Phantasie liegen. Man stellt sich vor, daß es immer noch möglich wäre, Verbrecher verschiedenen Kategorien zuzuordnen. Gewisse Arten von Verbrechen könnten in Gruppen eingeteilt werden. Die Verbrecher sollten sich dann an die entsprechenden Grenzen halten. Nicht in andere Bereiche eindringen und unsere Einteilungen durcheinanderbringen.«
»Ich habe manchmal in den gleichen Bahnen gedacht«, räumte Wallander ein. »Aber die Zeiten sind wohl endgültig vorbei. Die Welt, in der wir leben, ist im Begriff, viel übersichtlicher und zugleich viel chaotischer zu werden.«
Sjösten wedelte mit der Zigarette zu der großen Villa hin. »Es hat auch andere Gerüchte gegeben«, sagte er. »Handfestere. Von wüsten Gelagen in diesem Haus. Frauen, Prostitution.«
»Wüst?« fragte Wallander. »Mußtet ihr ausrücken?«
»Nie«, antwortete Sjösten. »Ich weiß eigentlich auch nicht, warum ich die Feste wüst nenne. Aber hier sind manchmal Menschen zusammengekommen, die dann ebensoschnell wieder verschwunden waren.«
Wallander sagte nichts. Er dachte darüber nach, was Sjösten gerade gesagt hatte. Ein schwindelerregender Gedanke schoß ihm |356| plötzlich durch den Kopf. Er sah Dolores Maria Santana an der südlichen Ausfahrt
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