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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden.«
    »Björn Fredman fällt aus dem Rahmen«, überlegte sie, als sie aufstanden.
    |361| »Ja«, stimmte Wallander zu. »Das tut er. Aber wenn man es umdreht, sind vielleicht die drei anderen die Ausnahme.«
    Sie kehrten nach Tågaborg zurück, wo sie erfuhren, daß Hansson auf dem Weg nach Helsingborg sei, um mit dem Polizeidirektor zu konferieren.
    »Morgen haben wir das Reichskriminalamt hier«, sagte Sjösten.
    »Hat jemand mit Ekholm gesprochen?« fragte Wallander. »Er sollte so schnell wie möglich herkommen.«
    Ann-Britt Höglund wollte das erledigen. Währenddessen ging Wallander gemeinsam mit Sjösten noch einmal durchs Haus. Nyberg kniete mit den anderen Technikern in der Küche. Auf der Treppe zum Obergeschoß holte Ann-Britt Höglund sie ein und informierte sie, daß Ekholm mit Hansson im selben Wagen komme. Zusammen setzten sie die Hausbesichtigung fort. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Jeder folgte seinem eigenen unsichtbaren Jagdpfad. Wallander versuchte, die Anwesenheit des Mörders im Haus zu fühlen, genauso wie er ihn in der Dunkelheit in Wetterstedts Haus oder in der hellen Laube in Carlmans Garten gesucht hatte. Vor weniger als zwölf Stunden hatte der Mörder dieselbe Treppe benutzt. Der unsichtbare Abdruck seiner Anwesenheit lag noch über dem Haus. Wallander bewegte sich langsamer als die anderen. Er blieb häufig stehen und sah mit leerem Blick vor sich hin. Oder er setzte sich auf einen Stuhl und betrachtete eine Wand oder einen Teppich oder eine Tür, als befinde er sich in einer Kunstgalerie und sei tief versunken in die Betrachtung der ausgestellten Stücke. Dann und wann kehrte er um und ging eine kurze Strecke noch einmal. Ann-Britt Höglund, die ihn sah, bekam den Eindruck, als bewege er sich auf einer äußerst dünnen Eisdecke. Wallander hätte ihr darin sicher recht gegeben. Jeder Schritt beinhaltete ein Risiko, eine neue Stellungnahme, die Zwiesprache mit sich selbst über einen gerade gedachten Gedanken. Er bewegte sich gleichermaßen in seinem Kopf wie an dem Tatort, an dem er sich befand. Gustaf Wetterstedts Haus war eigentümlich leer gewesen. Er hatte zu keinem Zeitpunkt die Anwesenheit des Mannes, den er suchte, gespürt. Das veranlaßte ihn am Ende zu der Annahme, daß der Mann, der Wetterstedt getötet hatte, nie in |362| dessen Haus gewesen war. Er war ihm nicht näher gekommen als auf dem Garagendach, wo er sich die Zeit damit vertrieb, in einem
Superman -
Heft zu lesen und es dann zu zerreißen. Doch hier, in Liljegrens Haus, war es anders. Wallander kehrte zur Treppe zurück und blickte zum Badezimmer. Von hier aus hatte er den Mann sehen können, den er töten wollte. Falls die Badezimmertür geöffnet gewesen war. Und warum sollte sie das nicht, Liljegren war ja allein im Haus. Dann trat er ins Badezimmer und übernahm für einen Augenblick die Rolle Liljegrens in dem Einmannstück, das er aufführte. Er ging durch die Tür hinaus, stellte sich den Schlag vor, der entschlossen und mit großer Kraft schräg von hinten ausgeführt wurde. Er sah sich selbst auf den Teppich im Flur fallen. Danach übernahm er wieder die Rolle des Mannes mit der Axt in der Hand. In der rechten, nicht der linken, das hatten sie schon bei Wetterstedt festgestellt. Der Mann war Rechtshänder. Wallander ging langsam die Treppe hinunter und zog die unsichtbare Leiche hinter sich her. In die Küche, zum Herd. Er ging weiter in den Keller und blieb vor dem Fenster stehen, das zu schmal war, als daß er hätte hindurchklettern können. Der Mann, der dieses Fenster als Eingang zu Liljegrens Haus benutzt hatte, konnte keine überflüssigen Pfunde mit sich herumschleppen. Er mußte mager sein. Wallander kehrte wieder in die Küche zurück und ging anschließend in den Garten. Vor dem Kellerfenster versuchten die Techniker, Fußabdrücke zu sichern. Er wußte im voraus, daß sie keine finden würden. Der Mann war barfuß gewesen, wie bei allen früheren Gelegenheiten. Er blickte zur Hecke. Dies war der kürzeste Abstand zwischen Kellerfenster und Straße. Er grübelte darüber nach, warum der Mörder barfuß gewesen war. Auch Ekholm, dem er die Frage schon mehrfach gestellt hatte, war eine plausible Antwort schuldig geblieben. Barfuß zu gehen bedeutete, ein Verletzungsrisiko in Kauf zu nehmen. Auszurutschen, sich zu schneiden oder zu stechen. Trotzdem ging er ohne Schuhe. Warum? Das war auch einer der Punkte, die er festhalten mußte. Er skalpierte.

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