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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Er benutzte eine Axt. Er lief barfuß. Wallander blieb reglos stehen. Der Gedanke überfiel ihn gleichsam. Sein Unterbewußtsein hatte eine Schlußfolgerung gezogen und die Meldung weitergesandt. Jetzt war sie angekommen.
    |363| Ein Indianer, dachte er. Ein Krieger eines Naturvolks.
    Plötzlich war er überzeugt davon, daß der Mann, den sie suchten, ein einsamer Krieger war, der einem unsichtbaren Pfad folgte, den er sich ausgesucht hatte. Er imitierte. Tötete mit der Axt, schnitt Skalpe ab, bewegte sich barfuß. Warum lief ein Indianer im schwedischen Sommer umher und tötete Menschen? Wer beging eigentlich die Morde? Der Indianer oder der, der die Rolle spielte?
    Wallander hielt seine Gedanken fest, damit sie sich nicht wieder verflüchtigten, bevor er sie ganz zu Ende gedacht hatte. Er überwindet große Abstände. Er muß ein Pferd haben. Ein Motorrad. Das hinter der Baracke des Straßenbauamts gestanden hatte. Ein Wagen, in dem man fährt, ein Motorrad, auf dem man reitet.
    Zum erstenmal glaubte er, das Bild des Mannes, den sie suchten, erahnen zu können. Angesichts dieser Einsicht nahm seine Anspannung augenblicklich zu. Seine Wachsamkeit war geschärft. Doch noch wollte er seine Gedanken für sich behalten.
    Im Obergeschoß wurde ein Fenster geöffnet. Sjösten beugte sich heraus. »Komm mal hoch«, rief er.
    Wallander ging ins Haus und fragte sich, was sie wohl gefunden hatten. In einem Zimmer, das Liljegrens Büro gewesen sein mußte, standen Sjösten und Ann-Britt Höglund vor einem Bücherregal. Sjösten hielt einen Plastikbeutel in der Hand. »Ich tippe auf Kokain«, sagte er. »Kann natürlich auch Heroin sein.«
    »Wo lag es?«
    Sjösten zeigte auf eine geöffnete Schublade.
    »Vielleicht ist noch mehr da«, meinte Wallander.
    »Ich lasse einen Drogenspürhund kommen«, gab Sjösten zurück.
    »Ich glaube, du solltest auch ein paar Leute zu den Nachbarn schicken. Laß sie fragen, ob ihnen ein Mann auf einem Motorrad aufgefallen ist. Nicht nur gestern abend oder heute nacht. Auch früher. Die letzten Wochen.«
    »Ist er mit dem Motorrad gekommen?«
    »Ich glaube, ja. Es würde dazu passen, wie er sich in den anderen Fällen fortbewegt hat. Du findest es in den Ermittlungsunterlagen.«
    Sjösten verließ das Zimmer.
    |364| »Von einem Motorrad steht aber nichts im Ermittlungsmaterial«, bemerkte Ann-Britt Höglund erstaunt.
    »Das sollte es aber«, erwiderte Wallander geistesabwesend. »Wir haben doch festgestellt, daß an dem Weg in der Nähe von Carlmans Haus ein Motorrad gestanden hat. Oder nicht?«
    Durchs Fenster sah er im selben Augenblick Ekholm und Hansson den Kiesweg zum Haus heraufkommen, der von Rosenbüschen gesäumt war. Sie hatten noch einen Mann bei sich. Wallander nahm an, daß es sich um den Polizeidirektor von Helsingborg handelte. Birgersson ging ihnen entgegen und traf sie auf halbem Weg.
    »Vielleicht ist es besser, wir gehen hinunter«, sagte er. »Hast du etwas gefunden?«
    »Das Haus erinnert an das von Wetterstedt«, sagte sie. »Die gleiche düstere Bürgerlichkeit. Aber hier gibt es auf jeden Fall Familienfotos. Ob sie sonderlich erbaulich sind, weiß ich nicht. Liljegren scheint Kavalleristen in der Familie gehabt zu haben. Schonische Dragoner. Den Fotos nach zu urteilen.«
    »Ich habe sie nicht gesehen«, entschuldigte sich Wallander. »Aber ich glaube dir gern. Seine Scheinfirmengeschäfte hatten zweifellos manche Ähnlichkeit mit einer primitiven Form von Kriegführung.«
    »Da ist auch ein Foto von einem alten Ehepaar vor einer Kate«, sagte sie. »Wenn ich die Rückseite richtig entziffert habe, sind es seine Großeltern auf Öland.«
    Sie gingen ins Erdgeschoß. Die Treppe war zur Hälfte abgesperrt, um die Blutspuren zu sichern.
    »Ältere alleinstehende Herren«, überlegte Wallander. »Ihre Häuser ähneln sich, vielleicht weil sich die beiden Männer ähnlich waren. Wie alt war Åke Liljegren eigentlich? War er schon siebzig?«
    Die Frage blieb unbeantwortet, weil Ann-Britt Höglund es nicht wußte.
    Liljegrens Eßzimmer wurde kurzerhand zum Sitzungszimmer umfunktioniert. Ekholm, der nicht dabeizusein brauchte, bekam einen Polizisten zugeteilt, der ihm die Informationen gab, die er haben wollte. Als alle sich vorgestellt und gesetzt hatten, überraschte |365| Hansson Wallander damit, daß er bezüglich des weiteren Vorgehens sehr entschiedene Ansichten äußerte. Während der Fahrt von Ystad nach Helsingborg hatte er auch bereits telefonisch mit Per Åkeson und mit

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