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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Nicht das erste Mal in seinem Leben begann er seinen Tag mit einer Anzahl kleiner Lügen, Ausflüchte und Selbsttäuschungen. Er duschte, trank Kaffee, schrieb einen neuen Zettel für Linda und verließ kurz nach halb sieben die Wohnung. Im Polizeipräsidium war noch alles still. Am frühen Morgen, wenn die übermüdeten Kollegen vom Nachtdienst sich auf den Weg nach Hause machten, es für die der Tagesschicht aber noch zu früh war, ging er am liebsten durch den Flur zu seinem Büro. Das Leben hatte in dieser einsamen Morgenstunde eine ganz besondere Bedeutung. Er hatte nie verstanden, warum. Aber in seiner Erinnerung konnte er dieses Gefühl |415| weit in seine private Vergangenheit zurückverfolgen, vielleicht zwanzig Jahre zurück. Seinem alten Mentor und Freund Rydberg war es ebenso gegangen.
Alle Menschen haben kleine, aber besonders persönliche, heilige Augenblicke
, hatte Rydberg bei einer der seltenen Gelegenheiten gesagt, als sie in seinem oder Wallanders Büro saßen und hinter gut verschlossener Tür eine kleine Flasche Whisky leerten. Im Polizeipräsidium wurde kein Alkohol getrunken. Aber vielleicht hatten sie einen Grund zum Feiern gehabt? Oder zum Trauern, wer weiß? Wallander wußte es nicht mehr. Aber die kurzen und seltenen philosophischen Stunden mit Rydberg fehlten ihm sehr. Es waren Augenblicke der Freundschaft, der vollkommen einzigartigen Vertrautheit gewesen. Wallander setzte sich an seinen Schreibtisch und blätterte rasch den Stapel von Papieren durch, der darauf lag. Eins der Papiere enthielt die Mitteilung, daß Dolores Maria Santanas Leiche zur Bestattung freigegeben worden war und jetzt in einem Grab auf demselben Friedhof lag wie Rydberg. Das brachte ihn wieder zu seiner Ermittlung zurück, er krempelte die Ärmel auf, als müsse er sich in die Welt hinausbegeben, um zu kämpfen, und las in rasantem Tempo die Kopien der Berichte durch, die seine Kollegen erstellt hatten. Darunter fanden sich Papiere von Nyberg, verschiedene Laborberichte, die Nyberg am Rand mit Fragezeichen und Kommentaren versehen hatte, und eine Aufstellung über die aus der Bevölkerung eingegangenen Hinweise, die zwar mehr geworden waren, aber immer noch an Zahl weit unter dem Üblichen lagen, ein typisch sommerliches Phänomen. Tyrén mußte ein außerordentlich emsiger junger Mann sein, dachte Wallander, ohne allerdings entscheiden zu können, ob dies auf einen zukünftigen guten Polizisten für die Feldarbeit oder auf einen schon jetzt in den Jagdgründen der Bürokratie heimischen Schreibtischbeamten schließen ließ. Er las schnell, aber aufmerksam. Nichts Wesentliches entging ihm. Besonders wichtig war die rasche Bestätigung, daß Fredman tatsächlich auf dem Steg bei der Abfahrt nach Charlottenlund ermordet worden war. Wallander schob die Papierhaufen beiseite, lehnte sich zurück und verfiel ins Grübeln. Was hatten diese Männer gemeinsam? Fredman paßt nicht ins Bild. Aber er gehört |416| trotzdem dieser Gruppe an. Ein früherer Justizminister, ein Kunsthändler, ein Wirtschaftsprüfer und ein kleiner Gauner. Wir finden sie in der Reihenfolge, in der sie ermordet worden sind.
    Wetterstedt, der erste, wird kaum versteckt, aber gut beiseite geräumt. Carlman, der zweite, wird in seiner eigenen Gartenlaube mitten in einem Sommerfest getötet. Björn Fredman wird gefangengenommen, zu einem einsam gelegenen Bootssteg gebracht und anschließend mitten in Ystad abgelegt, als solle er ausgestellt werden. Er liegt in einer Baugrube unter einer Plane. Wie eine Skulptur, die auf ihre Enthüllung wartet. Schließlich taucht der Täter in Helsingborg auf und tötet Åke Liljegren. Wir stellen fast sofort einen Zusammenhang zwischen Wetterstedt und Liljegren fest. Wenn wir erst exakt wissen, was sie miteinander verband, können wir auch weiterfragen: Wer kann einen Grund gehabt haben, sie zu töten? Und warum die Skalpe? Wer ist der einsame Krieger?
    Wallander grübelte lange über Björn Fredman und Åke Liljegren nach. Da war eine neue Dimension zu beobachten. Die Entführung und die verätzten Augen bei Fredman, Liljegrens Kopf im Backofen. Dem Täter hatte es nicht mehr genügt, sie zu erschlagen und ihre Skalpe zu nehmen. Warum? Er tat noch einen Schritt. Das Wasser um ihn herum wurde tiefer. Der Untergrund schlüpfrig. Glatt. Der Unterschied zwischen Fredman und Liljegren. Sehr deutlich. Björn Fredman war Salzsäure in die Augen geschüttet worden, als er noch lebte. Liljegren war tot, als er vor den Backofen

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