Wallander 05 - Die falsche Fährte
Pedanterie auf. Vielleicht hat irgend etwas seine Pläne durcheinandergebracht.«
»Was?«
»Darauf kann nur er selbst eine Antwort geben.«
»Aber wir müssen es wenigstens versuchen.«
Ekholm antwortete nicht. Wallander hatte das Gefühl, daß Ekholm gerade nicht sehr viel zu sagen hatte.
»Wir numerieren sie«, sagte Wallander. »Wetterstedt ist die Nummer eins. Was passiert, wenn wir sie vertauschen?«
|419| »Fredman erster oder letzter«, meinte Ekholm. »Liljegren unmittelbar davor oder dahinter, je nachdem, welche Variante zutrifft. Wetterstedt und Carlman haben Positionen, die zu den anderen in einem Verhältnis stehen.«
»Können wir annehmen, daß er fertig ist?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Ekholm. »Er bewegt sich in seiner eigenen Spur.«
»Und was sagen deine Computer? Haben sie irgendwelche Kombinationen ausgeworfen?«
»Eigentlich nichts.«
Ekholm schien selbst verwundert zu sein über seine Antwort.
»Und was schließt du daraus?«
»Daß wir es mit einem Serienmörder zu tun haben, der sich in entscheidenden Punkten von seinen Vorgängern unterscheidet.«
»Und was bedeutet das?«
»Daß wir eine völlig neue Erfahrung machen. Falls wir ihn kriegen.«
»Und das müssen wir«, sagte Wallander und merkte selbst, wie wenig überzeugend er klang.
Er stand auf und verließ zusammen mit Ekholm das Zimmer.
»Verhaltensforscher des FBI und von Scotland Yard haben sich bei uns gemeldet«, sagte Ekholm. »Sie verfolgen unsere Arbeit mit großem Interesse.«
»Haben sie keine Vorschläge? Wir sind für jeden Tip dankbar.«
»Ich lasse es dich wissen, sobald etwas Brauchbares hereinkommt.«
Sie trennten sich vor der Anmeldung. Wallander nahm sich Zeit, ein paar Worte mit Ebba zu wechseln, deren Handgelenk wieder aus dem Gips war. Dann fuhr er auf direktem Weg nach Sturup. Er fand Ludwigsson und Hamrén im Büro der Flughafenpolizei. Wallander spürte ein großes Unbehagen beim Anblick eines jungen Polizisten, der im Jahr zuvor vor seinen Augen in Ohnmacht gefallen war, als sie einen Mann festgenommen hatten, der im Begriff war, außer Landes zu fliehen. Er gab ihm die Hand und heuchelte Bedauern über den Vorfall von damals.
Ludwigsson war Wallander bei einem früheren Besuch in Stockholm bereits begegnet, stellte er fest. Er war ein großgewachsener, |420| kräftiger Mann, der allem Anschein nach an überhöhtem Blutdruck litt. Sein Gesicht war gerötet, doch nicht von der Sonne. Hamrén war der genaue Gegensatz, klein und drahtig, mit einer starken Brille. Wallander hieß sie etwas lässig willkommen und fragte, wie sie zurechtkämen. Ludwigsson führte das Wort.
»Es gibt ziemlich viel Streit zwischen den verschiedenen Taxigesellschaften hier draußen«, begann er. »Genau wie in Arlanda. Wir kommen einfach nicht weiter bei der Klärung der Möglichkeiten, die er in den fraglichen Stunden hatte, um von hier wegzukommen. Ein Motorrad hat auch niemand bemerkt. Aber wir sind noch nicht weit gekommen.«
Wallander trank eine Tasse Kaffee und beantwortete den beiden Kollegen aus Stockholm eine Reihe von Fragen. Dann verließ er sie und fuhr nach Malmö. Um zehn parkte er vor dem Haus in Rosengård. Es war sehr warm und wieder windstill. Er nahm den Aufzug in den dritten Stock und klingelte an der Tür. Diesmal öffnete nicht der Sohn, sondern Fredmans geschiedene Frau. Wallander roch sofort, daß sie Wein getrunken hatte. Zu ihren Füßen kauerte ein drei oder vier Jahre alter Junge. Er wirkte sehr scheu oder eher verängstigt. Als Wallander sich zu ihm hinunterbeugte, wurde der Junge von panischem Entsetzen gepackt. Im selben Augenblick schoß ein Erinnerungsbild durch Wallanders Kopf. Er konnte es nicht festhalten, aber er merkte sich die Situation. Etwas, das passiert war oder das jemand gesagt hatte, etwas, das wichtig war, stieg aus seinem Unterbewußtsein hoch. Früher oder später würde es ihm gelingen, das flüchtige Bild festzuhalten. Anita Fredman bat ihn einzutreten. Der Junge hing an ihren Beinen. Sie war ungekämmt und ungeschminkt. Die Wolldecke auf dem Sofa verriet ihm, wo sie die Nacht verbracht haben mußte. Sie setzten sich, Wallander auf denselben Stuhl, auf dem er schon früher gesessen hatte. In diesem Augenblick kam der Junge ins Zimmer, Stefan Fredman. Seine Augen waren ebenso wachsam wie beim letzten Mal. Er gab Wallander die Hand. Das gleiche frühreife Verhalten. Dann setzte er sich neben seine Mutter aufs Sofa. Alles wiederholte sich. Der einzige Unterschied
Weitere Kostenlose Bücher