Wallander 05 - Die falsche Fährte
und nichts war schwer gewesen. Sie sagte nichts, sie fragte nicht, warum sie auf einer Matratze liegen sollte, sondern hatte sich hingelegt und war fast auf der Stelle eingeschlafen. Er war selbst müde geworden, hatte sich hinter ihrem Rücken auf die Matratze gelegt und war eingeschlafen. Sie waren der Zukunft jetzt näher als je zuvor, hatte er vor dem Einschlafen noch gedacht. Die Kraft der vergrabenen Skalpe fing bereits an zu wirken. Sie war auf dem Weg zurück ins Leben. Bald würde alles verändert sein.
Er sah sie an. Es war Abend. Zehn Uhr vorbei. Er hatte jetzt seinen Entschluß gefaßt. Im Morgengrauen des kommenden Tages würde er zum letztenmal nach Ystad zurückkehren.
*
In Helsingborg ging die Uhr auf Mitternacht zu. Eine große Anzahl von Journalisten belagerte den äußeren Ring, den Intendent Birgersson hatte errichten lassen. Der Polizeidirektor war zur Stelle, die Fahndung nach dem Auto der Wachgesellschaft lief jetzt landesweit, doch es war noch immer nicht entdeckt worden. Auf Wallanders hartnäckiges und wiederholtes Verlangen wurde die junge Sara Pettersson, die per Interrail mit einer Freundin unterwegs war, über Interpol gesucht. Mit Hilfe ihrer Eltern waren sie dabei, einen denkbaren Reiseplan der Mädchen zu konstruieren. Die Nacht im Polizeipräsidium war hektisch. In Ystad saßen Hansson und Martinsson und nahmen die ganze Zeit die laufenden Informationen entgegen. Dafür sandten sie Teile des Ermittlungsmaterials herüber, die Wallander plötzlich zu brauchen |461| meinte. Per Åkeson befand sich in seiner Wohnung, war aber jederzeit erreichbar. Obwohl es spät war, hatte Wallander Ann-Britt Höglund nach Malmö geschickt, um die Familie Fredman zu besuchen. Er wollte sich vergewissern, daß es nicht sie waren, die Louise aus dem Krankenhaus geholt hatten. Am liebsten wäre er selbst gefahren. Aber er konnte nicht an zwei Stellen gleichzeitig sein. Sie war schon um halb elf losgefahren, nachdem Wallander selbst mit Anita Fredman gesprochen hatte, und er erwartete sie gegen ein Uhr zurück.
»Wer kümmert sich eigentlich um deine Kinder, während du hier bist?« hatte er sie kurz vor ihrer Abfahrt nach Malmö gefragt.
»Ich habe eine phantastische Nachbarin«, erwiderte sie. »Sonst wäre es unmöglich.«
Kurz danach rief Wallander bei sich zu Hause an.
Linda war da. Er erklärte ihr, so gut er konnte, was geschehen war. Er wußte nicht, wann er nach Hause kommen würde, vielleicht in der Nacht, vielleicht erst am frühen Morgen. Es kam darauf an.
»Kommst du, bevor ich abfahre?« fragte sie.
»Abfahre?«
»Hast du vergessen, daß ich nach Gotland wollte? Kajsa und ich fahren jetzt am Samstag, wenn du nach Skagen fährst.«
»Natürlich habe ich das nicht vergessen«, sagte er ausweichend. »Bis dahin bin ich natürlich wieder zu Hause.«
»Hast du mit Baiba gesprochen?«
»Ja«, antwortete Wallander und hoffte, sie würde nicht hören, daß er die Unwahrheit sagte.
Er gab ihr die Telefonnummer in Helsingborg. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er auch seinen Vater anrufen sollte. Doch es war schon spät. Sie waren sicher bereits im Bett.
Er ging in die Operationszentrale, wo Birgersson die Fäden der Ermittlung in der Hand hielt. Es waren jetzt fünf Stunden vergangen, und niemand hatte das gestohlene Auto der Wachgesellschaft gesehen. Birgersson und Wallander waren sich einig: Das konnte nur bedeuten, daß Logård, wenn er es denn war, nicht mit dem Wagen unterwegs war.
»Er hatte zwei Boote«, sagte Wallander. »Und ein Haus bei |462| Bjuv, das wir kaum finden konnten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er noch weitere Verstecke.«
»Ein paar von unseren Männern durchsuchen seine Boote«, sagte Birgersson. »Und Hördestigen. Ich habe ihnen gesagt, daß sie nach möglichen Adressen anderer Verstecke suchen sollen.«
»Wer ist dieser verdammte Logård?« fragte Wallander.
»Sie sind schon dabei, seine Fingerabdrücke durchlaufen zu lassen«, erwiderte Birgersson. »Wenn er jemals mit der Polizei zu tun gehabt hat, haben wir ihn bald gefunden.«
Wallander ging weiter zu den Zimmern, in denen die vier Mädchen verhört wurden. Es ging nur langsam, weil alles gedolmetscht werden mußte. Außerdem hatten die Mädchen Angst. Wallander hatte die Beamten angewiesen, den Mädchen als erstes klarzumachen, daß sie nichts zu befürchten hatten. Aber er fragte sich selbst, wie tief ihre Angst eigentlich saß. Er dachte an Dolores Maria Santana und ihre Angst,
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