Wallander 05 - Die falsche Fährte
mich auch gefragt«, erwiderte Wallander.
Nyberg schüttelte den Kopf. »Was sind das eigentlich für Sachen?« fragte er.
Wallander schwieg. Er hatte absolut nichts zu sagen.
Er kehrte zu seinem Wagen zurück und rief im Präsidium an. Ebba war am Apparat. Um ihrer mütterlichen Fürsorge zu entgehen, tat er, als habe er es eilig und sei enorm beschäftigt.
»Ich fahre ins Krankenhaus und rede mit dem Landwirt, dessen Rapsfeld verbrannt ist«, sagte er. »Ich komme heute nachmittag rein.«
Er fuhr zurück nach Ystad. In der Cafeteria des Krankenhauses trank er Kaffee und aß ein belegtes Brot. Dann suchte er die Station, in die Salomonsson zur Beobachtung eingeliefert worden war. Er hielt eine Schwester an, stellte sich vor und nannte sein Anliegen. Sie betrachtete ihn verständnislos. »Edvin Salomonsson?«
»Ob er Edvin hieß, weiß ich nicht mehr«, sagte Wallander. »Ist er hier gestern im Zusammenhang mit dem Brand bei Marsvinsholm eingeliefert worden?«
Die Krankenschwester nickte.
»Ich möchte gern mit ihm sprechen«, sagte Wallander. »Wenn er nicht allzu krank ist.«
»Er ist nicht krank«, sagte die Schwester. »Er ist tot.«
Wallander sah sie verständnislos an. »Tot?«
»Er ist heute morgen gestorben. Vermutlich war es ein Gehirnschlag. Er starb im Schlaf. Sie sprechen am besten mit einem der Ärzte.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Wallander. »Ich bin nur gekommen, um zu hören, wie es ihm geht. Jetzt habe ich die Antwort.«
Wallander verließ das Krankenhaus und trat in das blendende Sonnenlicht hinaus.
Auf einmal wußte er überhaupt nicht mehr, was er tun sollte.
|62| 5
Mit dem Gefühl, erst einmal schlafen zu müssen, um von neuem klar denken zu können, fuhr Wallander in seine Wohnung. Daß der alte Salomonsson gestorben war, konnte weder ihm noch jemand anderem angelastet werden. Die Person, die man zur Verantwortung hätte ziehen können, die sein Rapsfeld in Brand gesetzt und Salomonsson einen solchen Schock zugefügt hatte, daß er daran gestorben war, lebte nicht mehr. Es waren die Ereignisse an sich, die Tatsache, daß sie überhaupt geschehen waren, die Wallander beunruhigten und ihm Unwohlsein verursachten. Er zog den Telefonstecker heraus und legte sich mit einem Handtuch über dem Gesicht aufs Sofa im Wohnzimmer. Aber er fand keinen Schlaf. Nach einer halben Stunde gab er auf. Er schloß das Telefon wieder an, nahm den Hörer ab und wählte Lindas Nummer in Stockholm. Auf einem Zettel am Telefon hatte er eine ganze Reihe von durchgestrichenen Nummern. Linda zog häufig um, ihre Telefonnummer änderte sich ständig. Es klingelte am anderen Ende, aber niemand nahm ab. Dann wählte er die Nummer seiner Schwester. Sie meldete sich sofort. Sie sprachen nicht oft miteinander und fast nie über etwas anderes als ihren Vater. Wallander dachte manchmal, daß ihr Kontakt ganz einschlafen würde, wenn ihr Vater einmal nicht mehr lebte.
Sie wechselten die üblichen Höflichkeitsfloskeln, ohne sich im Grunde für die Antworten zu interessieren.
»Du hast angerufen«, sagte Wallander.
»Ich mache mir Sorgen um Papa«, antwortete sie.
»Ist etwas passiert? Ist er krank?«
»Ich weiß nicht. Wann hast du ihn denn zuletzt besucht?«
Wallander überlegte. »Vor ungefähr einer Woche«, sagte er und verspürte sofort ein schlechtes Gewissen.
»Kannst du ihn wirklich nicht öfter besuchen?«
|63| Wallander hatte das Bedürfnis, sich zu verteidigen. »Ich arbeite fast Tag und Nacht. Die Polizei ist hoffnungslos unterbesetzt. Ich besuche ihn, sooft ich kann.«
Ihr Schweigen verriet ihm, daß sie ihm kein Wort glaubte. »Ich habe gestern mit Gertrud gesprochen«, fuhr sie fort, ohne Wallanders Erklärung zu kommentieren. »Ich hatte das Gefühl, daß sie ausweichend antwortete, als ich fragte, wie es Papa ginge.«
»Warum hätte sie das tun sollen?« fragte Wallander erstaunt.
»Ich weiß nicht. Aber deshalb rufe ich an.«
»Vor einer Woche war er genau wie immer«, sagte Wallander. »Er war wütend, weil ich es eilig hatte und nur so kurz blieb. Aber während ich bei ihm war, saß er da und malte an seinen Bildern und hatte so gut wie keine Zeit, sich mit mir zu unterhalten. Gertrud war fröhlich wie immer. Aber ich muß zugeben, daß ich nicht begreife, wie sie es mit ihm aushält.«
»Gertrud liebt ihn«, sagte sie. »Hier handelt es sich eben um Liebe, und da erträgt man vieles.«
Wallander verspürte das Bedürfnis, das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden. Seine
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