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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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»Das erleichtert alles. Sie hat sich mit Hilfe von Benzin verbrannt, das nicht bleifrei war.«
    Wallander merkte, daß ihm übel wurde. Er meinte, den verbrannten Körper vor sich zu sehen, als läge der unmittelbar neben der Frau, mit der er sprach.
    »Wir wissen nicht, wer sie ist«, sagte er. »Wir müssen soviel wie möglich wissen, damit die Personenbeschreibung deutlich wird.«
    »Bei einem verbrannten Körper ist das immer schwierig«, sagte sie unberührt. »Die gesamte Haut ist verbrannt. Die Zahnuntersuchung |66| ist noch nicht abgeschlossen. Aber sie hatte gute Zähne. Keine Füllungen. Sie war einsdreiundsechzig groß. Sie hatte nie Knochenbrüche.«
    »Ich brauche ihr Alter«, sagte Wallander. »Das ist beinahe das Wichtigste.«
    »Das dauert noch einen Tag. Wir gehen von ihren Zähnen aus.«
    »Aber wenn Sie schätzen?«
    »Lieber nicht.«
    »Ich habe sie aus zwanzig Meter Entfernung gesehen«, sagte Wallander. »Ich glaube, sie war ungefähr siebzehn. Irre ich mich?«
    Die Ärztin dachte nach, bevor sie antwortete. »Ich möchte immer noch nicht schätzen«, antwortete sie schließlich. »Aber ich glaube, daß sie jünger war.«
    »Warum?«
    »Darauf kann ich erst antworten, wenn ich mehr weiß. Aber es würde mich nicht wundern, wenn sich zeigte, daß sie erst fünfzehn war.«
    »Kann eine Fünfzehnjährige sich wirklich aus freien Stücken selbst anzünden?« fragte Wallander. »Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
    »Vorige Woche habe ich die Reste eines siebenjährigen Mädchens zusammengesucht, das sich selbst in die Luft gesprengt hat«, antwortete die Ärztin. »Sie hat es sehr genau geplant. Sie hat sogar darauf geachtet, daß niemand sonst zu Schaden kam. Weil sie kaum schreiben konnte, hat sie eine Zeichnung als Abschiedsbrief hinterlassen. Ich habe von einem Vierjährigen gehört, der versucht hat, sich selbst die Augen auszustechen, weil er solche Angst vor seinem Vater hatte.«
    »Das ist doch nicht möglich«, sagte Wallander. »Nicht hier in Schweden.«
    »Gerade hier«, erwiderte sie. »In Schweden. Mitten in der Welt. Mitten im Sommer.«
    Wallander spürte, wie ihm die Tränen in die Augen traten.
    »Wenn Sie nicht wissen, wer sie ist, behalten wir sie hier«, fuhr sie fort.
    »Ich habe eine Frage«, sagte Wallander. »Eine persönliche Frage. Es muß unerhört schmerzhaft sein, sich selbst zu verbrennen?«
    |67| »Das haben die Menschen zu allen Zeiten gewußt«, antwortete sie. »Deshalb hat man das Feuer auch als die schrecklichste Strafe und als schlimmste Qual gewählt, die man einem Menschen zufügen kann. Man hat Jeanne d’Arc verbrannt, man hat Hexen verbrannt. Zu allen Zeiten hat man Menschen der Folter durch Feuer ausgesetzt. Die Schmerzen sind schlimmer als alles, was man sich überhaupt vorstellen kann. Außerdem verliert man leider nicht so schnell das Bewußtsein, wie man sich wünschen würde. Es gibt einen Instinkt, vor den Flammen zu fliehen, der stärker ist als der Wille, den Qualen zu entgehen. Deshalb wird man von seinem Bewußtsein gezwungen, nicht ohnmächtig zu werden. Dann erreicht man eine Grenze. Für eine Weile werden die verbrannten Nerven betäubt. Es gibt Beispiele dafür, daß Menschen mit neunzig Prozent verbrannter Haut für einen kurzen Moment glaubten, unversehrt zu sein. Aber wenn die Betäubung nachläßt   …«
    Sie beendete den Satz nicht.
    »Sie brannte wie eine Fackel«, sagte Wallander.
    »Das Beste, was man machen kann, ist, nicht daran zu denken«, sagte sie. »Der Tod kann wirklich eine Befreiung sein. Wie ungern wir das auch akzeptieren.«
    Nach Abschluß des Gesprächs holte Wallander seine Jacke und verließ die Wohnung. Es war windig geworden. Eine Wolkenfront war von Norden herangezogen. Auf dem Weg ins Präsidium fuhr er bei der Kfz-Überwachung vorbei und holte sich einen Termin für die Überprüfung. Kurz nach drei Uhr kam er im Präsidium an. Er blieb in der Anmeldung stehen. Ebba hatte sich kürzlich bei einem Sturz im Bad eine Hand gebrochen. Er fragte, wie es ihr gehe.
    »Mir ist klargeworden, daß ich langsam alt werde«, antwortete sie.
    »Du wirst nie alt«, sagte Wallander.
    »Das hast du nett gesagt«, erwiderte sie. »Aber es stimmt nicht.«
    Auf dem Weg in sein Büro schaute Wallander zu Martinsson hinein, der vor seinem Bildschirm saß.
    »Vor zwanzig Minuten sind sie wieder in Gang gekommen«, |68| sagte Martinsson. »Ich gebe gerade die Beschreibung ein, um zu sehen, ob sie auf vermißte Personen paßt.«
    »Du

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