Wallander 05 - Die falsche Fährte
Geheimnis von Gustaf Wetterstedts Tod würden sie kaum in seiner Küche auf die Spur kommen.
Svedberg setzte sich und trocknete sich die Haare mit einem Taschentuch.
|89| »Ich habe eine vage Erinnerung daran, daß du mir einmal erzählt hast, du hättest dich als Junge für Indianer interessiert«, begann Wallander. »Oder irre ich mich da?«
Svedberg betrachtete ihn verwundert. »Das stimmt«, sagte er. »Ich habe viel über Indianer gelesen. Aus den Filmen habe ich mir nie etwas gemacht, die haben ja doch nie die Wahrheit gezeigt. Aber ich habe mit einem Indianerkenner korrespondiert, der sich Uncas nannte. Er hat einmal ein Quiz im Fernsehen gewonnen. Ich glaube, da war ich noch nicht einmal geboren. Ich habe viel von ihm gelernt.«
»Du wunderst dich wahrscheinlich, warum ich frage«, meinte Wallander.
»Eigentlich nicht«, gab Svedberg zurück. »Wetterstedt ist schließlich skalpiert worden.«
Wallander betrachtete ihn aufmerksam. »Ist er?«
»Wenn Skalpieren eine Kunst ist, dann war dies hier nahezu vollendet. Ein Schnitt mit einem scharfen Messer über die Stirn. Dann zwei Schnitte an den Schläfen, um zum Reißen anpacken zu können.«
»Er starb von einem Schlag ins Rückgrat«, sagte Wallander. »Unmittelbar unter den Schultern.«
Svedberg zuckte die Achseln. »Die Indianer schlugen nach dem Kopf«, sagte er. »Es ist schwer, nach dem Rückgrat zu schlagen. Du mußt die Axt schräg halten. Besonders schwer ist es natürlich, wenn sich die Person, die man töten will, in Bewegung befindet.«
»Aber wenn sie stillsteht?«
»Es ist auf jeden Fall nicht besonders indianisch. Es ist überhaupt nicht indianisch, Menschen von hinten zu ermorden. Oder überhaupt jemanden zu ermorden.«
Wallander stützte die Stirn in die Hand.
»Warum fragst du eigentlich?« sagte Svedberg. »Wetterstedt ist ja wohl kaum von einem Indianer erschlagen worden.«
»Wer skalpiert sonst?« fragte Wallander.
»Ein Verrückter«, antwortete Svedberg. »Ein Mensch, der so etwas tut, kann nicht ganz dicht sein. Wir sollten ihn so schnell wie möglich zu fassen kriegen.«
»Ich weiß«, sagte Wallander.
|90| Svedberg stand auf und verschwand. Wallander holte einen Scheuerlappen und wischte den Fußboden sauber. Dann ging er zu Ann-Britt Höglund hinein. Es war kurz vor halb elf.
»Dein Vater klang nicht besonders fröhlich«, sagte sie, als er hinter ihr stand. »Aber ich glaube, er war vor allem verärgert, weil du ihn nicht früher angerufen hast.«
»Da hat er auch recht«, erwiderte Wallander. »Was hast du gefunden?«
»Erstaunlich wenig. Auf den ersten Blick scheint nichts gestohlen worden zu sein. Kein Schrank ist aufgebrochen. Ich glaube, er muß eine Haushilfe gehabt haben, um dieses große Haus in Ordnung zu halten.«
»Warum glaubst du das?«
»Aus zwei Gründen. Erstens, weil man den Unterschied sieht, wie ein Mann und wie eine Frau putzt. Frag mich nicht, warum. Es ist einfach so.«
»Und zweitens?«
»Ich habe ein Notizbuch gefunden, in dem ›Putze‹ steht und dann eine Uhrzeit. Zweimal im Monat.«
»Hat er wirklich Putze geschrieben?«
»Ein altes schönes und verächtliches Wort.«
»Kannst du sehen, wann sie zuletzt hier war?«
»Letzten Donnerstag.«
»Das erklärt, warum alles so ordentlich wirkt.«
Wallander sank in einen Besucherstuhl vor dem Schreibtisch.
»Wie sieht es da draußen aus?« fragte sie.
»Ein Schlag mit einer Axt ins Rückgrat. Unmittelbar tödlich. Der Mörder reißt ihm den Skalp ab und verschwindet.«
»Vorhin sagtest du, du glaubtest, es seien mindestens zwei gewesen?«
»Ich weiß. Aber im Augenblick weiß ich nur, daß mir das Ganze überhaupt nicht gefällt. Warum erschlägt jemand einen Menschen, der zwanzig Jahre lang isoliert gelebt hat? Und warum skalpiert er ihn?«
Sie schwiegen. Wallander dachte an das brennende Mädchen. An den Mann, der skalpiert worden war. Und an den Regen, der fiel. Er versuchte, die unschönen Bilder zu vertreiben, indem er |91| sich erinnerte, wie er und Baiba sich in Lee hinter einer der Sanddünen bei Skagen verkrochen hatten. Doch das Mädchen mit den brennenden Haaren lief weiter. Und Wetterstedt lag auf einer Bahre, die nach Malmö unterwegs war.
Er schob die Gedanken von sich und sah Ann-Britt Höglund an. »Gib mir eine Übersicht«, sagte er. »Was denkst du? Was ist passiert? Beschreib es mir. Ohne Vorbehalte.«
»Er ist rausgegangen«, sagte sie. »Ein Spaziergang zum Strand. Um jemanden zu treffen. Oder nur, um sich
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