Wallander 05 - Die falsche Fährte
einen Kommentar ab.
»Nichts deutet darauf hin, daß der Mord im Haus begangen wurde«, fuhr Nyberg fort. »Wir haben weder Blutspuren noch andere Anzeichen für ein Verbrechen gefunden. Es ist auch niemand ins Haus eingebrochen. Ob etwas gestohlen worden ist, kann ich nicht sagen. Aber es wirkt nicht so.«
»Hast du sonst etwas Bemerkenswertes gefunden?« fragte Wallander.
»Ich finde, das ganze Haus ist bemerkenswert«, sagte Nyberg. »Wetterstedt muß sehr viel Geld gehabt haben.«
Wallander fand, daß der Augenblick für eine Zusammenfassung gekommen war.
»Das Wichtigste ist im Moment der Zeitpunkt des Mordes. Der Arzt meinte, es müsse am Strand passiert sein. Er hat Sand in den Augen und im Mund des Opfers gefunden. Aber wir müssen abwarten, was die Gerichtsmediziner sagen. Weil wir keine Spur oder ein eindeutiges Tatmotiv haben, werden wir auf breiter Front vorgehen. Wir müssen uns ein Bild von Wetterstedts Person |97| machen. Mit wem verkehrte er? Was für Gewohnheiten hatte er? Wir müssen eine Charakterskizze erstellen, herausfinden, wie sein Leben aussah. Wir kommen auch nicht um die Tatsache herum, daß er vor zwanzig Jahren eine prominente Persönlichkeit war. Justizminister. Bei gewissen Leuten war er sehr populär, von anderen wurde er gehaßt. Er war ständig von Gerüchten wegen verschiedener Skandale umgeben. Ist vielleicht ein Rachemotiv mit im Spiel? Er ist niedergeschlagen worden, und er ist skalpiert worden. Hat es so etwas schon einmal gegeben? Können wir Ähnlichkeiten mit früheren Mordfällen feststellen? Martinsson soll seine Computer heißlaufen lassen. Außerdem hatte Wetterstedt eine Haushilfe, mit der wir noch heute sprechen müssen.«
»Seine Partei«, sagte Ann-Britt Höglund.
Wallander nickte. »Darauf wollte ich gerade kommen. Hatte er noch irgendwelche politischen Funktionen? Verkehrte er mit alten Parteifreunden? Das müssen wir klären. Gibt es irgend etwas im Hintergrund, was auf ein denkbares Motiv deuten könnte?«
»Seit die Nachricht raus ist, haben schon zwei Personen angerufen und sich zu dem Mord bekannt«, sagte Svedberg. »Der eine rief aus irgendeiner Telefonzelle in Malmö an. Er war so betrunken, daß er kaum zu verstehen war. Wir haben die Kollegen in Malmö gebeten, ihn zu verhören. Der andere Anrufer sitzt in Österåker ein. Sein letzter Freigang war im Februar. Aber ganz offensichtlich bringt Gustaf Wetterstedt noch immer die Gemüter in Wallung.«
»Diejenigen von uns, die lange genug dabei sind, wissen, daß das auch für die Polizei zutrifft«, sagte Wallander. »In seiner Amtszeit als Justizminister sind viele Dinge passiert, die keiner von uns vergessen hat. Von allen Justizministern und Reichspolizeichefs, die gekommen und gegangen sind, hat Wetterstedt uns am wenigsten in Schutz genommen.«
Sie gingen die verschiedenen Arbeitsaufgaben durch und verteilten sie. Wallander wollte selbst Wetterstedts Haushilfe vernehmen. Am Nachmittag um vier Uhr würden sie sich wieder treffen.
|98| »Wir haben noch zwei Dinge«, sagte Wallander. »Das erste: Wir werden eine Invasion von Fotografen und Journalisten erleben. Diese Geschichte ist ein gefundenes Fressen für die Massenmedien. Wir werden Schlagzeilen wie
Der Skalpmörder
und
Der Skalpmord
zu lesen bekommen. Es wäre also am besten, schon heute eine Pressekonferenz abzuhalten. Ich würde sie am liebsten nicht selbst übernehmen.«
»Das geht nicht«, sagte Svedberg. »Dafür bist du zuständig. Auch wenn du keine Lust hast, du bist doch der, der das am besten macht.«
»Aber ich will nicht allein sein«, sagte Wallander. »Ich will Hansson dabeihaben. Und Ann-Britt. Sagen wir, um ein Uhr?«
Sie wollten schon aufbrechen, als Wallander sie bat, noch zu bleiben. »Wir können die Nachforschung nach dem Mädchen, das sich im Rapsfeld verbrannt hat, nicht ganz schleifen lassen«, sagte er.
»Meinst du, daß da ein Zusammenhang besteht?« fragte Hansson verwundert.
»Natürlich nicht«, antwortete Wallander. »Wir müssen nur neben der Sache mit Wetterstedt versuchen herauszufinden, wer sie war.«
»Unsere Anfrage bei der Datenbank hat nichts ergeben«, sagte Martinsson. »Auch die Buchstabenkombination nicht. Aber ich verspreche dir, daß ich dranbleibe.«
»Jemand muß sie doch vermissen«, sagte Wallander. »Ein junges Mädchen. Ich finde das sonderbar.«
»Es ist Sommer«, sagte Svedberg. »Viele junge Leute sind unterwegs. Da kann es Wochen dauern, bis man anfängt, eine Person zu
Weitere Kostenlose Bücher