Wallander 05 - Die falsche Fährte
einzuschlafen, hatte
Expressen
angerufen. Auch Hansson war während der Nacht geweckt worden. Als sie sich kurz nach sieben im Konferenzraum versammelten, waren alle hohläugig und müde. Sogar Nyberg war erschienen, obwohl er bis fünf Uhr morgens mit der Untersuchung von Wetterstedts Haus beschäftigt gewesen war. Auf dem Weg in den Konferenzraum hatte Hansson Wallander beiseite genommen und ihm gesagt, er müsse das Ganze leiten. »Ich glaube, Björk wußte, daß dies hier passieren würde«, fügte Hansson hinzu. »Deshalb hat er aufgehört.«
»Er hat nicht aufgehört«, korrigierte Wallander. »Er ist befördert worden. Außerdem besaß er nichts weniger als die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Er hatte genug Sorgen mit dem, was täglich um ihn her geschah.«
Doch Wallander hatte schon geahnt, daß die Verantwortung für die Ermittlung im Fall Wetterstedt bei ihm landen würde. Ihr erstes großes Problem war, daß sie während des Sommers unterbesetzt waren. Er dachte voller Dankbarkeit an Ann-Britt Höglund, die sich bereit erklärt hatte, ihren Urlaub zu verschieben. Aber was würde mit seinem eigenen Urlaub geschehen? Er wollte in zwei Wochen zusammen mit Baiba auf dem Weg nach Skagen sein.
Er setzte sich an den Tisch und sah in die müden Gesichter, die ihn umgaben. Es regnete noch immer, obwohl es sich aufgehellt hatte. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Stapel mit Telefonnotizen, die |95| er in der Anmeldung bekommen hatte. Er schob ihn beiseite und klopfte mit einem Bleistift auf den Tisch. »Wir sollten jetzt anfangen«, sagte er. »Das denkbar Schlimmste ist eingetreten. Wir haben einen Mordfall in der Urlaubszeit. Wir müssen versuchen, uns zu organisieren, so gut es geht. Außerdem steht Mittsommer bevor, womit die Ordnungspolizei gebunden wäre. Aber es trifft auch immer etwas ein, was der Kriminalabteilung Kummer macht. Das müssen wir bei der Planung der Ermittlungen im Hinterkopf behalten.«
Keiner sagte etwas. Wallander wandte sich an Nyberg und fragte nach dem Stand der technischen Untersuchung.
»Wenn es nur ein paar Stunden aufhören würde zu regnen«, sagte Nyberg. »Wenn wir den Tatort finden wollen, müssen wir die oberste Sandschicht abtragen. Aber das ist fast unmöglich, bevor der Sand getrocknet ist. Sonst kriegen wir nur Klumpen.«
»Ich habe eben den Meteorologen in Sturup angerufen«, sagte Martinsson. »Er rechnet damit, daß der Regen hier in Ystad kurz nach acht aufhört. Aber gegen Nachmittag gibt es Sturm. Und dann kommt mehr Regen. Danach soll es aufklaren.«
»Immerhin etwas«, sagte Wallander. »Es ist in der Regel einfacher für uns, wenn wir am Abend vor Mittsommer schlechtes Wetter haben.«
»Diesmal hilft uns auch der Fußball«, sagte Nyberg. »Ich glaube zwar nicht, daß die Leute weniger saufen, aber sie werden vor den Fernsehern sitzen bleiben.«
»Und was passiert, wenn Schweden gegen Rußland verliert?« fragte Wallander.
»Das tun sie nicht«, erwiderte Nyberg mit Nachdruck. »Wir gewinnen.«
Wallander merkte erst jetzt, daß Nyberg Fußballfan war.
»Ich hoffe, du hast recht«, meinte er.
»Ansonsten haben wir im Umkreis des Boots nichts von Interesse gefunden«, fuhr Nyberg fort. »Wir haben auch die Strandpartie zwischen Wetterstedts Garten und dem Boot bis hin zum Wasser untersucht und eine Reihe von Gegenständen gefunden, aber kaum etwas, das uns interessieren könnte. Vielleicht mit einer Ausnahme.«
|96| Er legte einen seiner Plastikbeutel auf den Tisch. »Einer der Polizisten, die die Absperrungen gezogen haben, hat das hier gefunden. Es ist eine Spraydose. So eine, wie sie Frauen empfohlen werden, um sich zu verteidigen, wenn sie überfallen werden.«
»Sind die bei uns nicht verboten?« fragte Ann-Britt Höglund.
»Doch«, antwortete Nyberg. »Aber sie lag trotzdem da. Im Sand, unmittelbar außerhalb der Absperrung. Wir werden sie auf Fingerabdrücke untersuchen. Vielleicht bringt das was.«
Nyberg steckte den Plastikbeutel in seine Tasche zurück.
»Schafft es ein Mann allein, dieses Boot umzudrehen?« fragte Wallander.
»Nur wenn es sich um eine Person mit außergewöhnlichen Kräften handelt«, antwortete Nyberg.
»Das bedeutet, daß es zwei waren«, sagte Wallander.
»Der Mörder kann doch den Sand beim Boot weggeschaufelt haben«, sagte Nyberg. »Und hat ihn zurückgeschaufelt, nachdem er Wetterstedt daruntergeschoben hat.«
»Das ist natürlich möglich«, sagte Wallander. »Aber klingt das plausibel?«
Keiner am Tisch gab
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