Wallander 05 - Die falsche Fährte
fünf verließ Wallander das Präsidium und fuhr zum Styrbordsgången hinaus, wo Sara Björklund wohnte. Es war ein Teil der Stadt, in den er fast nie kam. Er parkte seinen Wagen und trat durch die Gartentür. Die Haustür wurde schon geöffnet, bevor er das Haus erreichte. Die Frau in der Tür war jünger, als er sie sich vorgestellt hatte. Er schätzte sie auf dreißig. Für Wetterstedt war sie eine Putze gewesen. Er fragte sich, ob sie wußte, wie Wetterstedt sie genannt hatte.
»Guten Tag«, sagte er. »Ich habe heute vormittag angerufen. Sara Björklund?«
»Ich kenne Sie«, sagte sie und nickte.
Sie bat ihn einzutreten. Im Wohnzimmer hatte sie einen Teller mit Gebäck und Kaffee in einer Thermoskanne bereitgestellt. Aus dem Obergeschoß konnte Wallander einen Mann hören, der ein paar lärmende Kinder zurechtwies. Wallander setzte sich und sah sich um. Es war, als erwarte er, eines der Bilder seines Vaters an einer Wand hängen zu sehen. Es war eigentlich das einzige, was fehlte, fuhr es ihm durch den Kopf. Der alte Fischer war da, die Zigeunerin |104| und das weinende Kind. Nur die Landschaft seines Vaters fehlte. Mit oder ohne Auerhahn.
»Möchten Sie Kaffee?« fragte sie.
»Ja, danke«, sagte Wallander.
Er zog einen kleinen Notizblock und einen Stift aus der Tasche.
»Sie haben also gehört, daß Gustaf Wetterstedt getötet worden ist«, begann er.
»Es ist schrecklich«, sagte sie. »Wer kann das getan haben?«
»Das fragen wir uns auch.«
»Lag er wirklich am Strand? Unter diesem häßlichen Boot? Das man vom Obergeschoß aus sehen kann?«
»Ja«, sagte Wallander. »Aber fangen wir von vorn an. Sie haben für Wetterstedt geputzt?«
»Ja.«
»Seit wann?«
»Seit drei Jahren. Ich wurde arbeitslos. Das Haus hier kostet Geld. Ich mußte putzen gehen. Ich habe die Arbeit durch eine Annonce in der Zeitung gefunden.«
»Wie oft waren Sie bei ihm?«
»Zweimal im Monat. Jeden zweiten Donnerstag.«
Wallander notierte. »Immer donnerstags?«
»Immer.«
»Hatten Sie einen eigenen Schlüssel?«
»Nein. Den hätte er mir nie gegeben.«
»Warum nicht?«
»Wenn ich in seinem Haus war, überwachte er jeden Schritt, den ich tat. Es war schrecklich anstrengend. Aber er bezahlte ja gut.«
»Sie haben nie etwas Besonderes bemerkt?«
»Was hätte das sein sollen?«
»War nie jemand anderes da?«
»Nie.«
»Hatte er keine Abendgesellschaften?«
»Nicht, soweit ich weiß. Es war nie Geschirr abzuwaschen, wenn ich kam.«
Wallander überlegte, bevor er fortfuhr. »Wie würden Sie ihn als Mensch beschreiben?«
|105| Die Antwort kam schnell und bestimmt. »Er war das, was man hochgestochen zu nennen pflegt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Daß er mich herablassend behandelte. Für ihn war ich nichts anderes als eine unbedeutende Putzfrau. Obwohl er einmal die Partei vertreten hat, die angeblich unsere Interessen wahrnimmt. Die Interessen der Putzfrauen.«
»Wissen Sie, daß er Sie in seinem Kalender Putze nannte?«
»Das wundert mich gar nicht.«
»Aber Sie sind geblieben?«
»Ich habe ja schon gesagt, daß er gut bezahlte.«
»Versuchen Sie, sich an Ihren letzten Besuch zu erinnern. Sie waren vorige Woche da?«
»Alles war genau wie immer. Ich habe versucht nachzudenken. Aber er war genau wie immer.«
»In diesen drei Jahren passierte also nichts Außergewöhnliches?«
Er merkte sofort, daß sie mit der Antwort zögerte, und wartete mit gespannter Aufmerksamkeit.
»Einmal, voriges Jahr«, begann sie tastend. »Im November. Ich weiß nicht, wieso, aber ich hatte mich im Tag geirrt. Ich kam an einem Freitagmorgen statt am Donnerstag. Gerade in dem Moment fuhr ein großer schwarzer Wagen aus der Garage. Ein Wagen mit Fenstern, durch die man nicht hineinsehen kann. Dann klingelte ich an der Haustür wie gewöhnlich. Es dauerte lange, bis er kam und aufmachte. Als er mich sah, wurde er richtig wütend. Dann schlug er die Tür wieder zu. Ich glaubte, er würde mich feuern. Aber als ich beim nächsten Mal wiederkam, sagte er nichts. Er tat, als sei gar nichts gewesen.«
Wallander wartete auf eine Fortsetzung, die nicht kam.
»War das alles?«
»Ja.«
»Ein großer schwarzer Wagen mit undurchsichtigen Scheiben, der seine Garage verließ?«
»Ja.«
Wallander sah ein, daß er im Moment nicht weiterkam. Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. »Wenn Ihnen noch etwas |106| einfällt, wäre ich dankbar, wenn Sie mich anrufen würden«, sagte er, als sie sich trennten.
Er fuhr zurück in die
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