Wallander 05 - Die falsche Fährte
Stadt.
Ein großer schwarzer Wagen, dachte er. Wer hat darin gesessen? Das muß ich herausfinden.
Es war sechs Uhr. Ein kräftiger Wind hatte eingesetzt.
Gleichzeitig begann es wieder zu regnen.
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Als Wallander zu Wetterstedts Haus zurückkehrte, waren Nyberg und seine Mitarbeiter vom Strand hereingekommen. Sie hatten Tonnen von Sand abgetragen, ohne den Tatort ausmachen zu können. Als der Regen einsetzte, hatte Nyberg sogleich beschlossen, die Planen wieder auszubreiten. Sie mußten abwarten, bis das Wetter sich besserte. Wallander kehrte mit dem Gefühl in das Haus zurück, daß Sara Björklunds Aussage vom falschen Tag und dem großen schwarzen Wagen ihnen geholfen hatte, ein zwar kleines, aber doch nicht unbedeutendes Loch in die Schale des perfekten Wetterstedt zu schlagen. Sie hatte etwas gesehen, das sie nicht hatte sehen sollen. Anders konnte sich Wallander weder Wetterstedts Wut erklären noch die Tatsache, daß er sie nachher nicht feuerte und sich auch nichts anmerken ließ.
Nyberg saß auf einem Stuhl in Wetterstedts Wohnzimmer und trank Kaffee. Wallander dachte, daß Nybergs Thermoskanne sehr alt sein mußte. Sie erinnerte ihn an die fünfziger Jahre. Nyberg hatte eine Zeitung auf den Stuhl gelegt, um den Bezug zu schonen.
»Wir haben deinen Tatort noch nicht gefunden«, sagte er. »Und jetzt kommen wir mal wieder nicht weiter, weil es angefangen hat zu regnen.«
»Ich hoffe, ihr habt die Planen gesichert«, sagte Wallander. »Der Wind wird immer stärker.«
»Die liegen, wo sie liegen«, entgegnete Nyberg.
»Ich dachte, ich sehe mir seinen Schreibtisch weiter an«, sagte Wallander.
»Hansson hat angerufen«, fuhr Nyberg fort. »Er hat mit Wetterstedts Kindern gesprochen.«
»Jetzt erst?« fragte Wallander. »Ich dachte, das hätte er schon längst getan.«
|108| »Davon weiß ich nichts«, antwortete Nyberg. »Ich gebe nur wieder, was er gesagt hat.«
Wallander ging ins Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Er richtete die Lampe so aus, daß sie ihr Licht möglichst breit streute. Dann zog er eine der Schubladen auf der linken Seite heraus. Darin lag eine Kopie der letzten Steuererklärung. Wallander legte sie vor sich auf den Tisch. Wetterstedt hatte ein Einkommen von fast einer Million Kronen versteuert. Die Einkünfte stammten hauptsächlich aus eigenen Ersparnissen von der Pension und aus Aktiengewinnen. Einer von der Wertpapierzentrale aufgestellten Übersicht zufolge hatte Wetterstedt hauptsächlich Aktien der traditionellen schwedischen Großindustrie besessen. Er hatte in Ericsson, Asea Brown Boveri, Volvo und Rottneros investiert. Außer diesen Einkünften waren ein Honorar vom Außenministerium und eins vom Buchverlag Tiden aufgeführt. Unter der Rubrik Vermögenswerte hatte Wetterstedt fünf Millionen eingetragen. Wallander merkte sich die Zahl. Er legte die Steuererklärung zurück und öffnete die nächste Schublade. Darin lag etwas, das wie ein Fotoalbum aussah. Jetzt kommen die Familienbilder, die Ann-Britt vermißt hat, dachte er. Er schlug die erste Seite auf. Mit zunehmender Verwunderung blätterte er weiter. Das Album war voller altertümlicher pornografischer Bilder, einige davon sehr freizügig. Wallander bemerkte, daß einzelne Seiten leichter aufklappten als andere. Wetterstedt hatte mit Vorliebe die Seiten aufgeschlagen, auf denen sehr junge Modelle zu sehen waren. Wallander hörte plötzlich die Haustür schlagen, dann kam Martinsson herein. Wallander nickte und zeigte auf das geöffnete Album.
»Die einen sammeln Briefmarken«, sagte Martinsson. »Andere offenbar so was.«
Wallander klappte das Album zu und legte es zurück in die Schreibtischschublade.
»Ein Anwalt Sjösten aus Malmö hat angerufen«, sagte Martinsson. »Er teilte uns mit, daß Wetterstedts Testament bei ihm liegt. Er hinterläßt ein ziemlich großes Vermögen. Ich fragte, ob es irgendwelche unerwarteten Erben gebe. Aber alles fällt den Erben der ersten Ordnung zu. Dann hat Wetterstedt noch eine Stiftung |109| ins Leben gerufen, die Stipendien an junge Juristen vergeben soll. Aber auch das Geld hat er schon vor langem dort plaziert und versteuert.«
»Dann wissen wir das«, sagte Wallander. »Gustaf Wetterstedt war ein vermögender Mann. Aber wurde er nicht als Sohn eines armen Hafenarbeiters geboren?«
»Svedberg sitzt gerade an seinem Lebenslauf. Ich hörte, daß er einen alten Parteisekretär mit gutem Gedächtnis aufgetrieben hat, der einiges über Gustaf
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