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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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stand auf. »Sie können mich im Polizeipräsidium in Ystad erreichen.«
    Er schrieb seine Telefonnummer auf ein Blatt Papier, das sie ihm hinschob. Dann begleitete sie ihn hinaus.
    »Ich bin noch nie einer Pastorin begegnet«, bemerkte er.
    »Es gibt immer noch viele, die erstaunt sind«, gab sie zurück.
    »In Ystad haben wir unsere erste Polizeipräsidentin bekommen«, sagte er. »Alles verändert sich.«
    »Hoffentlich zum Besseren«, antwortete sie und lachte.
    Wallander sah sie an und dachte, daß sie sehr schön war. Er sah keinen Ring an ihrer Hand. Während er zum Wagen zurückging, hing er ein paar verbotenen Gedanken nach. Sie war wirklich sehr attraktiv.
    Der Mann, der den Rasen mähte, hatte sich auf eine Bank gesetzt und rauchte. Ohne genau zu wissen warum, setzte Wallander sich zu dem Mann, der ungefähr sechzig war, auf die Bank und begann sich mit ihm zu unterhalten. Er trug eine offene blaue |206| Arbeitsjacke und schmutzige Kordhosen. Seine Füße steckten in altmodischen Turnschuhen. Wallander registrierte, daß er Chesterfield ohne Filter rauchte, und erinnerte sich an seine Kindheit, als sein Vater dieselbe Marke geraucht hatte.
    »Sie macht sonst nie auf, wenn eigentlich geschlossen ist«, sagte der Mann philosophisch. »Wenn ich ehrlich sein soll, war es das erste Mal.«
    »Die Pastorin ist sehr schön«, sagte Wallander.
    »Außerdem ist sie nett«, sagte der Mann. »Und sie predigt gut. Fragt sich, ob wir je einen besseren Pastor hatten. Aber es gibt natürlich viele, denen ein Mann lieber wäre.«
    »Wirklich?« sagte Wallander abwesend.
    »Es gibt bestimmt viele, die sich nur einen Mann als Pastor vorstellen können. Schonen sind konservativ. Jedenfalls meistens.«
    Das Gespräch verebbte. Es schien, als hätten die beiden Männer ihre Kräfte verbraucht. Wallander lauschte den Sommervögeln. Das frisch gemähte Gras duftete. Er dachte daran, daß er Kontakt mit seinem Kollegen Vikander von der Polizeistation Östermalm aufnehmen mußte, um sich zu erkundigen, ob das Gespräch, das Vikander inzwischen vermutlich mit Gustaf Wetterstedts alter Mutter geführt hatte, irgend etwas ergeben hatte. Es gab vieles, was er tun mußte. Ganz bestimmt aber hatte er keine Zeit, auf einer Bank vor dem Gemeindeamt von Smedstorp zu sitzen.
    »Wollten Sie eine Meldebestätigung?« fragte der Mann plötzlich. Wallander schrak zusammen, als sei er in einer unziemlichen Situation überrascht worden.
    »Ich hatte nur ein paar Fragen«, sagte er und stand auf.
    Der Mann blinzelte zu ihm auf. »Ich kenne Sie«, sagte er. »Sind Sie aus Tomelilla?«
    »Nein«, antwortete Wallander. »Ich bin aus Malmö. Aber jetzt lebe ich seit vielen Jahren in Ystad.«
    Dann wandte er sich dem Mann zu, um sich zu verabschieden. Sein Blick fiel auf das weiße T-Shirt unter der aufgeknöpften Arbeitsjacke. Es hatte einen Reklameaufdruck der Fährlinie zwischen Helsingborg und Helsingör. Ihm war klar, daß es ein Zufall sein konnte. Aber er entschied kurzerhand, daß es keiner war. Er |207| setzte sich wieder. Der Mann drückte die Zigarettenkippe im Gras aus und wollte gerade aufstehen.
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte Wallander. »Ich möchte Sie etwas fragen.«
    Der Mann mußte gehört haben, daß Wallanders Stimme sich verändert hatte. Er sah ihn mit einem wachsamen Blick an.
    »Ich bin Polizeibeamter«, sagte Wallander. »Ich bin eigentlich nicht hergekommen, um mit der Pastorin zu reden. Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu reden. Ich möchte gerne wissen, warum Sie den Brief nicht unterschrieben haben, den Sie uns geschickt haben. Über das Mädchen, das Sie von Helsingborg mitgenommen haben.«
    Er wußte, daß er ein gewagtes Spiel spielte. Es stand im Widerspruch zu allem, was er gelernt hatte. Und es war ein kräftiger Schlag unter die Gürtellinie jener Regel, die besagte, daß man als Polizist nicht das Recht hatte zu lügen, um eine Wahrheit ans Licht zu bringen. Auf jeden Fall nicht, wenn kein Verbrechen vorlag.
    Aber der Schlag saß. Der Mann zuckte zusammen, Wallanders Ausfall war allzu überraschend gekommen. Jede vernünftige und denkbare Gegenwehr schien auf der Stelle in sich zusammenzufallen. Wie konnte dieser Polizist wissen, daß er den Brief geschrieben hatte? Wie konnte er überhaupt irgend etwas wissen?
    Wallander spürte dies alles. Da sein Schlag getroffen hatte, konnte er dem Mann sofort von den imaginären Brettern hochhelfen und ihn beruhigen. »Es ist keine gesetzwidrige Handlung, anonyme Briefe

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