Wallander 05 - Die falsche Fährte
Sammlung, die er aufgebaut hatte, weggenommen und verkauft hatte.
»Hat das nicht bis morgen Zeit? Das Brasilienspiel fängt gleich an.«
»Ich muß morgen nach Dänemark. Entweder nimmst du sie heute abend, oder jemand anders kriegt sie.«
Hoover wußte, daß sein Vater nie eine große Summe Geld in den Taschen eines anderen landen lassen würde. Er wartete, noch immer ganz ruhig.
»Ich komme. Wo bist du?«
»Am Segelclub in Limhamn. Auf dem Parkplatz.«
»Warum nicht in der Stadt?«
»Ich hab doch gesagt, es war eine Villa in Limhamn. Hab ich das nicht gesagt?«
»Ich komme«, sagte der Vater.
Hoover hängte den Hörer ein und setzte den Helm wieder auf.
Die Telefonkarte ließ er im Apparat stecken. Er wußte, daß er genug Zeit hatte, nach Limhamn hinauszufahren. Der Vater zog sich immer aus, bevor er anfing zu trinken. Er tat auch nie etwas in Eile. Seine Trägheit war ebenso groß wie seine Habgier. Hoover startete das Moped und fuhr durch die Stadt, bis er auf die Straße nach Limhamn kam. Auf dem Parkplatz beim Segelclub standen nur wenige Autos. Er fuhr das Moped zwischen ein paar Büsche und warf die Schlüssel weg. Dann nahm er den Helm ab und holte die Axt heraus. Den Helm preßte er vorsichtig in den Rucksack, damit die Flasche nicht kaputtging.
Dann wartete er. Er wußte, daß der Vater den Lieferwagen, in dem er sein Diebesgut transportierte, immer in der gleichen Ecke des Parkplatzes abstellte. Hoover nahm an, daß er es auch diesmal so machen würde. Sein Vater war ein Gewohnheitsmensch. Außerdem würde er schon betrunken, sein Urteilsvermögen umnebelt, seine Reaktionsfähigkeit herabgesetzt sein.
Nach zwanzig Minuten hörte Hoover das Geräusch eines Autos näher kommen. Die Scheinwerfer leuchteten zwischen die Bäume, bevor der Wagen auf den Parkplatz einbog. Wie Hoover vorhergesehen hatte, hielt er in seiner gewohnten Ecke. Hoover lief auf nackten Füßen im Schatten über den Parkplatz bis zum |226| Auto. Als er hörte, wie der Vater die Fahrertür öffnete, lief er schnell auf der anderen Seite herum. Wie er vorhergesehen hatte, blickte der Vater zum Parkplatz hin und kehrte ihm den Rücken zu. Er hob die Axt und schlug ihm mit der stumpfen Seite auf den Hinterkopf. Das war der kritischste Augenblick. Er wollte nicht so hart zuschlagen, daß der Vater auf der Stelle tot war. Aber trotzdem hart genug, um den Vater, der groß und sehr stark war, unmittelbar bewußtlos zu schlagen.
Der Vater fiel ohne einen Laut auf den Asphalt. Hoover wartete einen Augenblick mit erhobener Axt für den Fall, daß er wieder zu sich kam, aber er lag reglos da. Hoover streckte sich nach den Wagenschlüsseln und schloß die Seitentür des Lieferwagens auf. Er hob den Vater hoch und wälzte ihn in den Wagen. Er war darauf vorbereitet, daß es sehr schwer werden würde. Er brauchte ein paar Minuten, um den massigen Körper hineinzubekommen. Dann holte er den Rucksack, kletterte in den Wagen und zog die Tür zu. Er machte die Innenbeleuchtung an und sah, daß der Vater immer noch bewußtlos war. Er holte die Taue aus dem Rucksack und band ihm die Hände auf den Rücken. Mit einer Schlinge zog er seine Beine an einer Sitzverankerung fest. Dann verklebte er ihm den Mund mit Klebeband und machte das Licht aus. Er stieg hinüber auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Er erinnerte sich, wie sein Vater ihm vor einigen Jahren beigebracht hatte, Auto zu fahren. Er hatte immer einen Lieferwagen gehabt. Hoover wußte, wo die Gänge lagen, wo die Bedienungshebel saßen. Er fuhr vom Parkplatz und bog in Richtung der Umgehungsstraße ab, die um Malmö herumführte. Da sein Gesicht bemalt war, wollte er nicht auf beleuchteten Straßen fahren, wo Licht durch die Wagenfenster hereinscheinen konnte. Er nahm die E 65 in Richtung Norden. Es war ein paar Minuten vor zehn. Bald würde das Spiel gegen Brasilien beginnen.
Er hatte die Stelle durch einen Zufall gefunden; auf dem Weg zurück nach Malmö, nachdem er einen ganzen Tag lang der Polizei bei ihrer Arbeit am Strand in der Nähe von Ystad zugeschaut hatte, wo er die erste der ihm von seiner Schwester auferlegten |227| heiligen Aufgaben ausgeführt hatte. Er war auf der Küstenstraße gefahren und hatte dabei den Bootssteg entdeckt, der versteckt lag und von der Landstraße aus unmöglich zu sehen war. Er hatte sogleich erkannt, daß dies die richtige Stelle war.
Es war elf, als er von der Straße abbog und die Scheinwerfer ausschaltete. Der Vater war noch immer
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