Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
bewußtlos, hatte aber angefangen, schwache Stöhnlaute von sich zu geben. In aller Hast löste er das Tau von der Sitzverankerung und zog ihn aus dem Wagen. Der Vater stöhnte lauter, als Hoover seinen Körper zum Steg hinunterschleifte. Dort wendete er ihn auf den Rücken und band seine Arme und Beine an den Eisenringen fest, die in den Steg eingelassen waren. Der Vater sah wie eine aufgespannte Tierhaut aus. Er hatte einen zerknitterten Anzug an. Das Hemd war bis tief auf den Bauch hinunter aufgeknöpft. Hoover zog ihm Schuhe und Strümpfe aus. Dann holte er den Rucksack aus dem Wagen. Es war fast windstill. Auf der Straße fuhren vereinzelt Autos vorbei. Ihr Scheinwerferlicht erfaßte den Steg nicht.
    Als er mit dem Rucksack zurückkam, war der Vater aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Seine Augen starrten. Der Kopf bewegte sich hin und her. Er zerrte mit Armen und Beinen an seinen Fesseln, ohne loszukommen. Hoover konnte nicht anders, als im Schatten stehenzubleiben und ihn zu betrachten. Er sah keinen Menschen mehr vor sich. Der Vater hatte die Verwandlung durchgemacht, die er für ihn bestimmt hatte. Er war jetzt ein Tier.
    Hoover trat aus dem Schatten heraus und ging auf den Steg. Die Augen des Vaters starrten ihn an. Hoover merkte, daß er ihn nicht erkannte. Die Rollen waren vertauscht. Er dachte an die unzähligen Male, als ihn eisiger Schrecken durchfuhr, wenn der Vater ihn angestarrt hatte. Jetzt war es umgekehrt. Die Angst hatte die Seiten gewechselt. Er beugte sich so dicht zum Gesicht des Vaters nieder, daß dieser durch die Bemalung des Gesichts hindurchsehen und entdecken konnte, daß dahinter sein eigener Sohn war. Das war auch das letzte, was er sehen sollte. Dieses Bild sollte er im Kopf haben, wenn er starb. Hoover hatte den Verschluß von der Flasche geschraubt. Er hielt sie hinter seinem Rücken. Dann nahm er sie hervor und goß hastig ein paar Tropfen Salzsäure in das linke Auge des Vaters. Unter dem Klebeband begann der Vater |228| zu brüllen. Er riß mit allen Kräften an den Tauen. Hoover öffnete mit Gewalt das andere Auge, das zusammengekniffen war, und goß Salzsäure hinein. Dann stand er auf und warf die Flasche ins Meer. Er sah ein Tier vor sich, das sich im Todeskampf hin und her warf. Hoover blickte wieder auf seine Hände. Die Finger zitterten leicht. Das war alles. Das Tier lag auf dem Steg vor ihm und zuckte in Krämpfen. Hoover holte das Messer aus dem Rucksack und schnitt die Haut vom Schädel des Tiers. Er hob den Skalp gegen den dunklen Himmel. Dann nahm er seine Axt und schlug sie mit solcher Kraft direkt durch die Stirn des Tiers, daß die Schneide im Holz des Stegs darunter steckenblieb.
    Es war vorüber. Seine Schwester war auf dem Weg, ins Leben zurückzukehren.
     
    *
     
    Kurz vor ein Uhr kam er in Ystad an. Die Stadt war menschenleer. Er hatte lange gezweifelt, ob er richtig handelte. Aber Geronimos pochendes Herz hatte ihn überzeugt. Er hatte die tastenden Polizisten am Strand beobachtet, hatte zugeschaut, als sie sich wie im Nebel auf dem Gelände des Hofs bewegten, auf dem er ein Mittsommerfest besucht hatte. Geronimo hatte ihm befohlen, sie herauszufordern. Er fuhr zum Bahnhof. Die Stelle hatte er vorher ausgesucht, eine Baustelle, wo Abwasserrohre ausgewechselt wurden. Eine Persenning lag über einer Grube. Er schaltete die Scheinwerfer aus und kurbelte das Seitenfenster herunter. In einiger Entfernung hörte er ein paar Betrunkene grölen. Er stieg aus und zog die Persenning zur Seite. Er lauschte noch einmal. Kein Mensch war zu sehen, kein Auto. Er öffnete schnell die Tür des Laderaums, zog den Körper des Vaters heraus und drückte ihn in die Grube. Nachdem er die Persenning wieder richtig hingelegt hatte, ließ er den Motor an und fuhr davon. Um zehn vor zwei stellte er den Wagen auf dem offenen Parkplatz vor dem Flughafen Sturup ab. Es war viel Blut im Auto. Seine Füße waren blutig. Er dachte an die ganze Verwirrung, die er schuf, um die Polizisten in noch tieferem Dunkel umhertappen zu lassen, das zu durchdringen sie überhaupt keine Chance hatten.
    |229| Er hatte die Wagentüren geschlossen. Plötzlich blieb er reglos stehen. Ihm war ein Gedanke gekommen.
Der Mann, der ins Ausland gereist war, würde vielleicht nicht wiederkommen. Das bedeutete, daß er Ersatz beschaffen mußte. Er dachte an die Polizisten, die er am Strand um das kieloben liegende Boot und nach dem Mittsommerfest auf dem Hof gesehen hatte. Einer von ihnen. Einer von ihnen konnte

Weitere Kostenlose Bücher