Wallander 06 - Die fünfte Frau
die Fenster. Sie setzten sich wieder.
»Wir warten noch mit der Zusammenfassung«, sagte Wallander. »Gehen wir zunächst zu Gösta Runfelt über.«
Er ließ Ann-Britt Höglund von der Entdeckung des Kellerraums in der Harpegatan berichten und davon, daß Runfelt Privatdetektiv war. Als weder sie, Svedberg oder Nyberg noch mehr zu sagen hatten und die von Nyberg entwickelten und kopierten Fotografien um den Tisch gewandert waren, berichtete er von seinem Gespräch mit Runfelts Sohn. Er merkte, daß die Gruppe jetzt viel konzentrierter war als am Beginn der langen Sitzung.
»Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir uns ganz dicht an einem entscheidenden Punkt bewegen«, schloß Wallander ab. »Wir suchen weiter einen Berührungspunkt. Noch haben wir ihn nicht gefunden. Aber was bedeutet es, daß sowohl Holger Eriksson als auch Gösta Runfelt als brutale Menschen beschrieben werden? Was bedeutet es, daß dies erst jetzt herauskommt?«
Er machte eine Pause, um Kommentaren und Fragen Raum zu geben.
Niemand sagte etwas.
»Es wird Zeit, daß wir noch tiefer bohren«, fuhr er fort. »Es gibt viel zu viele Dinge, über die wir mehr wissen müssen. Alles Material muß von jetzt an in bezug auf Berührungspunkte zwischen diesen beiden Männern kreuz und quer verglichen werden. Martinsson ist dafür zuständig, daß das geschieht. Dann sind ein paar Dinge wichtiger als andere. Ich denke an das Unglück, bei dem Runfelts Frau ertrunken ist. Das kann entscheidend sein. Und dann die Sache mit dem Geld, das Holger Eriksson der Kirche in Svenstavik vermacht hat. Das übernehme ich. Es kann notwendig werden, ein paar Reisen zu machen. Zum Beispiel zu dem See da oben in Småland, in der Nähe von Älmhult, wo Runfelts Frau ertrunken ist. Die ganze Geschichte kommt mir, wie gesagt, seltsam vor. Vielleicht irre ich mich. Aber wir können es nicht unbearbeitet lassen. Vielleicht wird es auch nötig, nach Svenstavik zu fahren.«
|253| »Wo liegt das?« fragte Hansson.
»Im südlichen Jämtland. Ungefähr zwanzig Kilometer von der Grenze nach Härjedalen.«
»Was hatte Holger Eriksson denn mit dem Ort zu tun? Er war doch Schone?«
»Genau das müssen wir rausfinden«, sagte Wallander. »Warum schenkt er das Geld nicht einer Kirche hier in der Gegend? Was bedeutet es, daß er eine spezielle Kirche gewählt hat? Ich will wissen, warum. Es muß einen bestimmten Grund gegeben haben.«
Keiner hatte irgendwelche Einwände, als er geendet hatte. Sie würden weiter Heuhaufen durchsuchen. Keiner von ihnen erwartete, daß die Lösung auf andere Weise käme als durch langwierige Arbeit, die ihre Geduld auf eine harte Probe stellen würde.
Nachdem sie schon viele Stunden zusammengesessen hatten, entschloß sich Wallander, die Frage der Personalverstärkung selbst aufzugreifen. Er erinnerte sich auch, daß er den Vorschlag machen mußte, einen psychologischen Experten hinzuzuziehen. »Ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß wir Hilfe in Form von Verstärkung bekommen«, sagte er. »Wir haben viel zu klären, und es wird zeitraubend werden.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Lisa Holgersson.
Per Åkesson nickte, ohne etwas zu sagen. Wallander hatte in all den Jahren, in denen er mit Per Åkesson zusammengearbeitet hatte, nie erlebt, daß dieser jemals etwas wiederholte, was bereits gesagt worden war. Wallander hatte die unklare Vorstellung, daß dies eine gute Voraussetzung war für den Posten, den er im Sudan antreten sollte.
»Dagegen bezweifle ich, ob wir wirklich einen Psychologen brauchen, der uns über die Schulter schaut«, fuhr Wallander fort, nachdem die Frage wegen der Verstärkung entschieden war. »Ich gebe zu, daß Mats Ekholm, den wir im Sommer hier hatten, ein guter Gesprächspartner war. Er steuerte Argumente und Gesichtspunkte bei, von denen wir Nutzen hatten. Sie waren nicht entscheidend, aber auch nicht bedeutungslos. Die Situation heute ist eine andere. Mein Vorschlag ist, daß wir ihm Zusammenfassungen unseres Ermittlungsmaterials schicken, seine Kommentare |254| zur Kenntnis nehmen und uns vorläufig damit begnügen. Wenn etwas Dramatisches eintrifft, können wir die Situation neu beurteilen.«
Auch jetzt gab es keine Einwände.
Es war bereits nach ein Uhr, als sie die Sitzung schlossen. Wallander verließ in aller Eile das Präsidium. Nach der langen Sitzung war sein Kopf schwer. Er fuhr zu einem der Mittagsrestaurants im Zentrum. Während des Essens versuchte er, sich klarzumachen, was eigentlich bei der
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