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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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welche Weise?«
    »Kann man auf mehr als eine Weise erschüttert sein?«
    »Weinte er? Stand er unter Schock? Versuchen Sie, es genauer zu beschreiben.«
    »Er weinte nicht. Daß mein Vater Tränen in den Augen hatte, kam meines Wissens nur vor, wenn er von einem seltenen Exemplar von Orchideen sprach. Es war mehr ein Gefühl, daß er mich zu überzeugen versuchte, daß er alles getan hatte, was in seiner Macht stand, um sie zu retten. Aber das war doch nicht nötig. Wenn ein Mensch in Not ist, versucht man eben zu helfen.«
    »Was sagte er noch?«
    »Er bat mich, meine Schwester anzurufen.«
    »Er rief also Sie zuerst an?«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Wir sind hierhergefahren, nach Schonen. Genau wie jetzt. Die Beerdigung war eine Woche später. Einmal sprach ich am Telefon mit einem Polizeibeamten. Er sagte, daß das Eis unerwartet schwach gewesen sein müsse. Meine Mutter war ja außerdem keine besonders großgewachsene Person.«
    »Hat er das gesagt? Der Polizist? Daß das Eis ›unerwartet schwach‹ gewesen sei?«
    »Ich habe ein gutes Gedächtnis für Einzelheiten. Vielleicht weil ich Revisor bin.«
    Wallander nickte. Sie kamen an einem Schild vorbei, das ein Café ankündigte. Während der kurzen Pause fragte Wallander Bo Runfelt nach seiner Arbeit als internationaler Wirtschaftsprüfer. |260| Aber er hörte nur unaufmerksam zu. Statt dessen ging er in Gedanken noch einmal das Gespräch durch, das sie im Wagen geführt hatten. Etwas daran war wichtig gewesen, aber er wußte noch nicht, was es war. Als sie das Café verließen, piepte sein Telefon. Es war Martinsson. Bo Runfelt ging ein Stück zur Seite, um Wallander allein zu lassen.
    »Es sieht aus, als hätten wir Pech«, sagte Martinsson. »Von den beiden Polizisten, die damals in Älmhult gearbeitet haben, ist einer gestorben, und der andere ist pensioniert und nach Örebro gezogen.«
    Wallander war enttäuscht. Ohne einen konkreten Ansprechpartner würde die Fahrt viel von ihrem Sinn verlieren. »Ich weiß nicht einmal, wie ich zu dem See finden soll«, klagte er. »Gibt es keinen Krankenwagenfahrer? War die Feuerwehr nicht an der Rettungsaktion beteiligt?«
    »Ich habe den Mann gefunden, der Gösta Runfelt damals Hilfe geleistet hat«, sagte Martinsson. »Ich weiß, wie er heißt und wo er wohnt. Das Problem ist nur, daß er kein Telefon hat.«
    »Gibt es in diesem Land wirklich noch Leute ohne Telefon?«
    »Offensichtlich. Hast du was zu schreiben?«
    Wallander suchte. Er hatte wie üblich keinen Stift – und einen Block schon gar nicht. Er winkte Bo Runfelt zu sich, der ihm einen goldgefaßten Kugelschreiber und eine seiner Visitenkarten gab.
    »Der Mann heißt Jacob Hoslowski«, sagte Martinsson. »Er ist so eine Art Dorforiginal und lebt allein in einer Hütte nicht weit von dem See. Der heißt Stångsjön und liegt direkt nördlich von Älmhult. Ich habe mit einer freundlichen Person in der Gemeindeverwaltung gesprochen. Sie hat gesagt, der Stångsjön wäre auf der Informationstafel vor der Ortseinfahrt eingezeichnet. Sie konnte aber nicht erklären, wie man zu Hoslowski kommt. Du mußt in ein Haus gehen und fragen.«
    »Wo können wir übernachten?«
    »IKEA hat ein Hotel, wo Zimmer für euch reserviert sind.«
    »Verkauft IKEA nicht Möbel?«
    »Schon. Aber sie haben auch ein Hotel. IKEA Värdshus.«
    »Ist sonst etwas passiert?«
    |261| »Alle sind schwer beschäftigt. Aber es scheint, als käme Hamrén von Stockholm herunter, um uns zu helfen.«
    Wallander erinnerte sich an die beiden Kriminalbeamten aus Stockholm, die ihnen im Sommer beigestanden hatten. Er hatte nichts dagegen, sie wiederzutreffen.
    »Ludwigsson nicht?«
    »Der hatte einen Autounfall und liegt im Krankenhaus.«
    »Ist er schwer verletzt?«
    »Ich werde mich erkundigen. Aber ich hatte nicht den Eindruck.«
    Wallander beendete das Gespräch und reichte den Kugelschreiber zurück. »Der sieht teuer aus«, sagte er.
    »Wirtschaftsprüfer bei einem Unternehmen wie Price Waterhouse zu sein ist einer der besten Berufe, die es gibt«, sagte Bo Runfelt. »Auf jeden Fall, was Bezahlung und Zukunftsaussichten angeht. Kluge Eltern raten ihren Kindern, Wirtschaftsprüfer zu werden.«
    »Wie hoch ist ein Durchschnittsgehalt?« fragte Wallander.
    »Die meisten, die oberhalb eines gewissen Niveaus arbeiten, haben persönliche Verträge. Die außerdem geheim sind.«
    Das bedeutete also sehr hohe Gehälter. Wie alle anderen war Wallander immer wieder verblüfft über verschiedene

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