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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit gelber Inschrift. Wallander las sie und war sich sofort darüber im klaren, daß ihm damit nicht geholfen war. Der Mann, der Harald Berggren hieß und hier begraben lag, war bereits 1949 gestorben. Melander sah seine Reaktion.
    »Der nicht?«
    »Nein«, sagte Wallander. »Mit Sicherheit nicht. Der Mann, den ich suche, hat auf jeden Fall 1963 noch gelebt.«
    »Ein Mann, den Sie suchen«, sagte Melander neugierig. »Ein Mann, den die Polizei sucht, hat wohl ein Verbrechen begangen?«
    |292| »Ich weiß es nicht«, sagte Wallander. »Es ist außerdem viel zu kompliziert, um es zu erklären. Häufig sucht die Polizei Menschen, die nichts Ungesetzliches getan haben.«
    »Dann sind Sie vergebens hergekommen«, sagte Melander. »Wir haben viel Geld für die Kirche geschenkt bekommen. Aber wir wissen nicht, warum. Und wir wissen nicht, wer dieser Eriksson war.«
    »Es muß eine Erklärung geben«, sagte Wallander.
    »Wollen Sie die Kirche sehen?« fragte Melander plötzlich, als wolle er Wallander aufmuntern. Wallander nickte.
    »Sie ist schön«, sagte Melander. »Wir haben da geheiratet.«
    Sie gingen zur Kirche hinauf und traten in das Kircheninnere ein. Wallander hatte bemerkt, daß die Tür unverschlossen war. Durch die Fenster fiel Licht herein.
    »Das ist schön«, sagte Wallander.
    »Aber ich glaube nicht, daß Sie besonders religiös sind«, sagte Melander und lächelte.
    Wallander antwortete nicht. Er setzte sich in eine der Holzbänke. Melander blieb im Mittelgang stehen. Wallander suchte in seinem Kopf nach einem Weg, auf dem sie weiterkämen. Er wußte, daß es eine Antwort gab. Holger Eriksson würde nie der Kirche in Svenstavik ohne einen Grund ein Geschenk gemacht haben. Und zwar einen starken Grund.
    »Holger Eriksson schrieb Gedichte«, sagte Wallander. »Er war das, was man einen Heimatdichter nennt.«
    »Solche haben wir hier auch«, sagte Melander. »Wenn ich ehrlich sein soll, ist das, was sie schreiben, nicht immer besonders gut.«
    »Er war auch Vogelbeobachter. In den Nächten hielt er nach Zugvögeln Ausschau, die nach Süden flogen. Er sah sie nicht, aber er wußte, daß sie da waren, hoch über ihm. Vielleicht kann man das Rauschen von Tausenden von Flügeln hören?«
    »Ich weiß von ein paar Leuten, die einen Taubenschlag haben, aber Ornithologen hatten wir nur eine.«
    »Hatten?« fragte Wallander.
    Melander setzte sich in die Bank auf der anderen Seite des Ganges. »Das war eine seltsame Geschichte«, sagte er. »Eine Geschichte |293| ohne Schluß.« Er lachte auf. »Fast wie Ihre«, sagte er. »Ihre hat ja auch keinen Schluß.«
    »Wir finden den Täter schon«, sagte Wallander. »Meistens jedenfalls. Was war das für eine Geschichte?«
    »Mitte der sechziger Jahre kam eine Polin hierher«,sagte Melander. »Woher sie kam, wußte niemand. Sie arbeitete im Pensionat. Mietete ein Zimmer. Hatte wenig Kontakt mit den Leuten hier. Obwohl sie sehr schnell Schwedisch lernte, hatte sie keine Freunde. Später kaufte sie sich ein Haus. In der Gegend um Sveg. Ich war damals ziemlich jung. So jung, daß ich oft dachte, daß sie schön war. Obwohl sie zurückgezogen lebte. Und sie interessierte sich für Vögel. Auf der Post sagten sie, daß sie Karten und Briefe aus ganz Schweden bekam. Ansichtskarten mit Angaben über beringte Uhus und Gott weiß was. Und sie schrieb selbst viel. Sie verschickte neben der Gemeinde die meiste Post. Im Laden mußten sie extra für sie Ansichtskarten bestellen. Die Motive waren ihr egal. Sie nahmen Ansichtskarten, die woanders nicht verkäuflich waren.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »In einem kleinen Ort weiß man viel, ob man will oder nicht«, sagte Melander. »So ist das nun mal.«
    »Und was geschah dann?«
    »Sie verschwand.«
    »Verschwand?«
    »Na, wie sagt man: Sie löste sich in Luft auf. War weg.«
    Wallander war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte.
    »Ist sie abgereist?«
    »Sie ist eine Menge gereist. Aber sie kam immer zurück. Als sie verschwand, war sie hier. Sie hatte an einem Nachmittag im Oktober einen Spaziergang durch den Ort gemacht. Sie ging viel. Spazierte. Nach dem Tag hat man sie nie wieder gesehen. Es wurde damals viel geschrieben. Sie hatte keine Taschen gepackt. Die Leute fingen an, sich zu wundern, als sie nicht ins Pensionat kam. Sie gingen zu ihr nach Hause. Sie war weg. Sie wurde gesucht. Aber sie blieb weg. Das ist ungefähr fünfundzwanzig Jahre her. Man hat nie irgendwas gefunden. Aber es gab Gerüchte. Daß sie in

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