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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Stille der Nacht war der Traum klar und durchsichtig gewesen. Die Trauer um den Vater, um das Gespräch, das sie begonnen, aber nicht zu Ende geführt hatten. Seinen toten Vater konnte er nicht bedauern. Aber sich selbst, der übriggeblieben war.
    Es gelang ihm nicht mehr einzuschlafen. Er sollte auch früh aufstehen.
    Als sie am Abend zuvor nach dem Besuch bei Maria Svensson in Sölvestad ins Präsidium zurückgekehrt waren, lag dort eine Mitteilung, daß für Wallander ein Flug um 7   Uhr am folgenden Morgen von Sturup gebucht war, mit Umsteigen in Arlanda und Ankunft in Östersund um 9   Uhr 50.   Er hatte den Reiseplan durchgesehen und festgestellt, daß er wählen konnte, ob er den Samstagabend in Svenstavik oder in Gävle verbringen wollte. Am Flugplatz Frösön stand ein Auto für ihn. Er blickte auf die Schwedenkarte, die an der Wand neben der vergrößerten Karte von Schonen hing. Das brachte ihn auf eine Idee. Er ging in sein Zimmer und rief Linda an. Zum erstenmal lief bei ihr ein Anrufbeantworter. Er sprach eine Frage auf das Band: Konnte sie den Zug nach Gävle nehmen, eine Fahrt von höchstens zwei Stunden, und dort die Nacht verbringen? Dann suchte er Svedberg und fand ihn schließlich im Gymnastikraum im Untergeschoß. Svedberg ging |288| dort an Freitagabenden in aller Ruhe in die Sauna. Wallander bat ihn um den Gefallen, für den Samstagabend zwei Zimmer in einem guten Hotel in Gävle für ihn zu buchen. Am Tag danach könnte er ihn über sein Mobiltelefon erreichen.
    Dann ging er nach Hause. Und als er schlief, kam der Traum zu ihm, von der Straße im herbstlichen Rom.
    Um sechs Uhr stand das vorbestellte Taxi vor dem Haus. In Sturup holte er seine Flugscheine ab. Da es Samstagmorgen war, war die Maschine kaum mehr als halbvoll. Der Flug nach Östersund ging pünktlich. Wallander war noch nie in Östersund gewesen. Die nördlich von Stockholm gelegenen Landesteile hatte er nur selten besucht. Er freute sich auf die Reise. So gewann er auch Abstand zu dem Traum der letzten Nacht.
    Es war ein kühler Morgen auf dem Flugplatz in Östersund. Der Pilot hatte von einem Grad plus gesprochen. Die Kälte fühlte sich anders an, dachte er auf dem Weg zum Flughafengebäude. Es riecht auch nicht nach Lehm. Er fuhr von Frösön über die Brücke und dachte, daß die Landschaft schön war. Die Stadt ruhte sanft an einem zum Storsjön abfallenden Hang. Er hatte den Weg nach Süden gesucht und ein befreiendes Gefühl dabei empfunden, in einem fremden Auto zu sitzen und durch eine unbekannte Landschaft zu fahren.
    Um halb zwölf kam er nach Svenstavik. Von Svedberg hatte er unterwegs erfahren, daß er einen Mann namens Melander aufsuchen sollte. Er war der Mann im Kirchenvorstand, mit dem Anwalt Bjurman verhandelt hatte. Melander wohnte in einem roten Haus neben dem alten Amtsgericht in Svenstavik, das nur noch für die Kurse des Arbeiterbildungsverbands genutzt wurde.
    Wallander parkte vor dem IC A-Supermarkt mitten im Zentrum. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, daß das alte Amtsgericht auf der anderen Seite des neugebauten Einkaufszentrums lag. Er ließ den Wagen stehen und ging zu Fuß. Es war bewölkt, regnete aber nicht. Er betrat den Hofplatz des Hauses, in dem Robert Melander wohnen sollte. Ein Elchspitz lag angekettet vor einer Hundehütte. Die Tür stand offen. Wallander klopfte. Niemand antwortete. Da glaubte Wallander, von der Rückseite des Hauses Geräusche zu hören. Er ging um die Giebelseite des guterhaltenen |289| und gepflegten Holzhauses herum. Das Grundstück war groß. Es gab einen Kartoffelacker und Johannisbeersträucher. Wallander wunderte sich darüber, daß so weit nördlich noch Johannisbeeren wuchsen. Auf der Rückseite des Hauses stand ein Mann in Stiefeln und sägte Äste von einem gefällten Baum. Als er Wallander bemerkte, hörte er sofort auf und streckte den Rücken. Er war in Wallanders Alter. Er lächelte und legte die Säge zur Seite.
    »Ich vermute, daß Sie es sind«, sagte er und streckte die Hand aus. »Der Polizist aus Ystad.«
    Sein Dialekt war sehr ausdrucksvoll, dachte Wallander, als er ihn begrüßte.
    »Wann sind Sie losgefahren«, fragte Melander. »Gestern abend?«
    »Um sieben heute morgen ging der Flug«, antwortete Wallander.
    »So schnell«, sagte Melander. »Ich war irgendwann in den Sechzigern mal in Malmö. Ich hatte die Idee, daß das vielleicht was sein könnte, ein bißchen rumzukommen. Und es gab Arbeit auf der großen Werft.«
    »Kockums«, sagte

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