Wallander 06 - Die fünfte Frau
Stortorget. Aber ich weiß nicht mehr, wie es heißt.«
»Warum haben Sie Kontakt mit ihm aufgenommen?«
»Darauf möchte ich lieber nicht antworten.«
Sie war sehr bestimmt. Wallander war erstaunt, weil ihre Antworten bis dahin so offen waren.
»Trotzdem glaube ich, daß Sie darauf antworten müssen«, sagte er.
»Ich kann versichern, daß es nichts mit seinem Tod zu tun hat. Ich bin ebenso entsetzt und schockiert wie alle anderen über das, was ihm passiert ist.«
»Ob es mit der Sache zu tun hat oder nicht, entscheidet die Polizei«, sagte Wallander. »Leider müssen Sie wohl auf die Frage antworten. Sie können sich entscheiden, es hier zu tun. Dann bleibt alles, was nicht direkt mit der Ermittlung zu tun hat, unter uns. Wenn wir gezwungen sind, Sie zu einem formellen Verhör vorzuladen, kann es schwerer werden zu verhindern, daß Details zu den Massenmedien durchsickern.«
Sie schwieg lange. Sie warteten. Wallander legte die Fotografie, die sie in der Harpegatan entwickelt hatten, auf den Tisch. Sie betrachtete das Bild mit ausdruckslosem Gesicht.
»Ist das Ihr Mann?« fragte Wallander.
|285| Sie starrte ihn an. Dann lachte sie schallend. »Nein. Das ist nicht mein Mann«, sagte sie. »Aber er hat meine Beziehung zerstört.«
Wallander begriff nicht. Ann-Britt Höglund hingegen verstand sofort.
»Wie heißt sie?«
»Annika.«
»Und dieser Mann ist zwischen Sie gekommen?«
Sie war nun wieder ganz gefaßt. »Ich hatte einen Verdacht. Schließlich wußte ich nicht mehr, was ich tun sollte. Da kam ich auf die Idee, einen Privatdetektiv aufzusuchen. Ich mußte wissen, ob sie im Begriff war, mich zu verlassen. Sich zu verändern. Zu einem Mann zu gehen. Schließlich sah ich ein, daß sie es getan hatte. Gösta Runfelt kam her und erzählte es mir. Am Tag danach schrieb ich Annika, daß ich sie nie wiedersehen wollte.«
»Wann war das?« fragte Wallander. »Wann war er hier und erzählte Ihnen das?«
»Am 20. oder 21. September.«
»Danach hatten Sie keinen Kontakt mehr?«
»Nein. Ich bezahlte ihn über sein Postgirokonto.«
»Was hatten Sie für einen Eindruck von ihm?«
»Er war sehr freundlich. Er liebte Orchideen. Ich glaube, wir kamen gut miteinander aus, weil er ebenso reserviert wirkte wie ich.«
Wallander überlegte. »Ich habe nur noch eine Frage«, sagte er. »Könnten Sie sich einen Grund denken, warum er ermordet wurde? Etwas, was er gesagt hat oder tat? Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen?«
»Nein«, sagte sie. »Nichts. Und ich habe wirklich darüber nachgedacht.«
Wallander sah seine Kollegen an und erhob sich. »Dann wollen wir nicht weiter stören«, sagte er. »Und dies alles bleibt unter uns. Das kann ich versprechen.«
»Dafür bin ich dankbar«, sagte sie. »Ich möchte ungern meine Kunden verlieren.«
Sie verabschiedeten sich. Sie schloß hinter ihnen die Tür, bevor sie die Straße erreicht hatten.
|286| »Was hat sie gemeint mit dem letzten?« fragte Wallander. »Daß sie ihre Kunden nicht verlieren wollte?«
»Die Menschen hier auf dem Land sind konservativ«, sagte Ann-Britt Höglund. »Eine lesbische Frau ist für viele noch immer etwas Anstößiges. Ich glaube, sie hat allen Grund, nicht zu wollen, daß es rauskommt.«
Sie setzten sich ins Auto. Wallander dachte, daß es bald anfangen würde zu regnen.
»Was hat das jetzt gebracht?« fragte Svedberg.
Wallander wußte, daß es nur eine Antwort gab. »Es hat uns weder vorangebracht noch zurückgeworfen«, sagte er. »Die Wahrheit über diese beiden Mordermittlungen ist sehr einfach. Wir wissen nichts mit Sicherheit. Wir haben eine Reihe loser Enden. Aber wir haben keine ordentliche Spur. Wir haben nichts.«
Sie saßen schweigend im Wagen. Wallander fühlte sich für einen Augenblick schuldbewußt. Als habe er der ganzen Ermittlung einen Dolchstoß in den Rücken versetzt. Aber dennoch wußte er, daß es die Wahrheit war.
Sie hatten nichts, dem sie nachgehen konnten.
Absolut nichts.
|287| 21
In dieser Nacht hatte Wallander einen Traum. Er war wieder in Rom. Er ging mit seinem Vater auf einer Straße, der Sommer war plötzlich vorbei, es war Herbst geworden, römischer Herbst. Sie hatten sich über irgend etwas unterhalten, er wußte nicht mehr, worüber. Plötzlich war der Vater verschwunden. Es war sehr schnell gegangen. Im einen Augenblick hatte er sich noch an seiner Seite befunden, im nächsten war er verschwunden, verschluckt vom Menschengewimmel der Straße.
Er war mit einem Ruck aufgewacht. In der
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