Wallander 07 - Mittsommermord
angerufen haben.«
»Und das war alles?«
»Der Briefträger kam mit einer Geldsendung. Wir haben dreihundert Kronen im Lotto gewonnen. Er fragte, ob Edengrens zu Hause seien. Da sagten wir, daß Isa im Krankenhaus sei. Aber warum sollte er anrufen?«
»Und sonst war es also niemand?«
»Nein.«
»Gut, daß wir das geklärt haben«, sagte Wallander in einem Tonfall, der zu verstehen gab, daß er das Gespräch für beendet ansah. Lundberg ging die Treppe hinunter, stieg in seine Gummistiefel und verschwand.
»Ich bin letzte Nacht zum Reservat hinausgefahren«, sagte Wallander. »Plötzlich hatte ich das Gefühl, als sei dort jemand. In der Dunkelheit, unsichtbar. Jemand, der uns beobachtete. Es war natürlich Einbildung. Aber jetzt frage ich mich trotzdem. Heute morgen habe ich Edmundsson gebeten, die Stelle mit seinem Hund abzugehen. Gibt es jemanden, der uns folgt?«
»Ich weiß, was Svedberg gesagt hätte.«
»Was hätte er gesagt?«
»Svedberg erzählte manchmal von seinen Indianern. Ich erinnere mich an eine Nacht, als er und ich das Fährterminal beobachteten. |255| Ich glaube, es war 1988, im Frühjahr. Eine riesige Schmuggelaffäre, wenn du dich erinnerst. Wir saßen im Wagen, und Svedberg hielt uns beide mit Indianergeschichten wach. Ich weiß noch, daß er unter anderem davon erzählte, wie sie Spuren verfolgten. Und wie sie selbst herausfanden, ob jemand in ihrer eigenen Spur folgte. Es ging darum, innezuhalten, zu wissen, wann man eine Bewegung abbrechen und in Deckung gehen mußte, um dann auf die zu warten, die von hinten angeschlichen kamen.«
»Und was hätte Svedberg nun gesagt?«
»Daß wir dann und wann stehenbleiben und einen Blick über die Schulter werfen sollten.«
»Und was würden wir dann sehen?«
»Jemanden, der nicht dasein sollte.«
Wallander überlegte. »Das heißt mit anderen Worten, daß wir dieses Haus unter Bewachung halten sollten. Für den Fall, daß jemand auf die gleiche Idee kommt wie wir. Isas Zimmer zu durchsuchen. Meinst du so?«
»Ungefähr.«
»Ungefähr gibt es nicht. Entweder du meinst es oder nicht.«
»Ich spreche davon, was Svedbergs Meinung gewesen wäre.«
Wallander sah ein, wie müde er war. Seine Nerven lagen fast blank. Er dachte, daß er sich bei Martinsson entschuldigen mußte, genauso wie er am Morgen auf dem Pfad im Reservat mit Ann-Britt hätte sprechen müssen. Aber er sagte nichts. Sie kehrten in Isas Zimmer zurück. Die Perücke lag auf dem Schreibtisch, neben Wallanders Handy. Er kniete nieder und schaute unter das Bett. Nichts. Als er wieder hochkam, wurde er von einem plötzlichen Schwindel befallen. Er wankte und griff nach Martinsson.
»Geht es dir nicht gut?«
Wallander schüttelte den Kopf. »Es ist viele Jahre her, daß ich mehrere Nächte auf den Beinen bleiben konnte, ohne etwas davon zu merken. Das wird dir auch passieren.«
»Wir sollten Lisa sagen, daß wir zusätzliches Personal brauchen.«
»Sie hat schon mit mir gesprochen«, gab Wallander zurück. »Ich habe gesagt, daß wir darauf zurückkommen. Gibt es hier noch mehr zu sehen?«
|256| »Ich glaube nicht. Der Kleiderschrank enthält nichts, was nicht hineingehört.«
»Fehlt etwas? Was normalerweise im Kleiderschrank einer jungen Frau ist?«
»Nicht soweit ich sehen kann.«
»Dann gehen wir.«
Als sie auf den Hof traten, war es kurz vor halb zehn. Wallander warf einen Blick zum Himmel. Keine Regenwolken in Sicht.
»Isas Eltern rufe ich selbst an«, sagte er. »Ihr müßt mit denen der drei anderen Kontakt aufnehmen. Ich wage nicht die Verantwortung zu übernehmen für das, was passiert, wenn wir Isa Edengren nicht finden. Es ist immerhin möglich, daß sie etwas wissen. Das gleiche gilt für die anderen auf dem Foto, das wir bei Svedberg gefunden haben.«
»Glaubst du, es ist etwas passiert?«
»Ich weiß nicht.«
Sie stiegen in ihre Wagen und fuhren davon. Wallander dachte an das Gespräch mit Lundberg. Er hatte das nagende Gefühl, daß Lundberg noch etwas gesagt hatte, vielleicht in einem Nebensatz, was von Bedeutung war. Aber er schüttelte den Gedanken ab. Ich bin müde, dachte er. Ich höre nicht zu, was die Leute sagen, und nachher habe ich das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben.
Als sie zum Präsidium kamen, verschwand Martinsson in seine Richtung. Ebba hielt Wallander an der Anmeldung auf.
»Mona hat angerufen«, sagte sie.
Wallander blieb wie angewurzelt stehen. »Was wollte sie?«
»Das hat sie mir doch nicht gesagt.«
Sie gab ihm
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